Blätter für Gemäldekuhde
ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FRIMMEL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
V. Band
MAI 1909
Heft 3
DAS DIANAGEMÄLDE VON RUBENS AUS DER SAMM,
LUNG MARTIN SCHUBART.
Keinerlei Kunst ist plötzlich entstanden. Allenthalben reichen Wurzeln und
Fäserchen in die Kulturen früherer Zeiten zurück. Die Nachwirkungen der klassh
sehen Antike, die deutlichst noch heute an allen Ecken und Enden zu verspüren
sind, bilden den Schauplatz kunstgelehrter Turnübungen; das Vererben der Kunst'
weisen vom Lehrer auf die Schüler, das Ausbreiten kräftiger Anregungen in
weite Kreise wird beachtet. Wie z. B. Tizians Bilder auf Rubens eingewirkt haben,
ist zuzeiten erörtert worden, und einem solchen Falle kommen wir heute nahe,
wenn wir das Dianabild der Sammlung Schubart eingehend betrachten.
Tizian hat bekanntlich für König Philipp II. von Spanien unter anderen
Werken auch zwei Dianabilder geschaffen, einmal: Diana mit ihrem Gefolge von
Aktäon überrascht, und als Gegenstück: Diana, den Fehltritt der Callisto bemerk
kend. Nach manchen Wanderungen sind diese Leinwänden in die Bridgewater
Gallery gelangt. In Madrid befinden sich jetzt die Kopien. Rubens hat diese
Bilder noch in Madrid gesehen, und aus dem Aktäonbilde, das uns besonders
angeht, hat er die Figur der Diana nahezu entlehnt für das Bild, dessen rechte
Hälfte sich in der Sammlung Schubart befand und heute besprochen wird.
Alles wesentliche in der Haltung der beiden Dianafiguren stimmt überein, auch
wenn das erhobene Bein und der erhobene Arm bei Rubens etwas weiter hinauf'
reichen, als bei Tizian. Im allgemeinen ist der Einfluß des Tizian aus dem Bilde
längst herausgelesen und erwähnt worden, so im Rubens--Werk von Max Rooses
(Bd. III, S. 84), so durch Fr. Schlie ungefähr gleichzeitig im Repertorium für
Kunstwissenschaft (XIII, S. 159) und in einem Artikel von A. Weese in der
Vossischen Zeitung (14. Oktober 1899), um nur Andeutungen zu machen. Daß
Rubens zur Zeit seiner diplomatischen Sendung nach Spanien, 1628, dort viele
Tizians kopiert hat, braucht den Lesern unserer Blätter nicht als Neuigkeit mit'
geteilt zu werden.*) Da es sich um ein bestimmtes Werk des Tizian handelt,
das damals in Spanien gewesen, gewinnt man durch die Klammer TiziamRubens
in unserem Falle einen festen Punkt für die Zeitbestimmung des Dianabildes
der Galerie Schubart. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach erst später als 1628
entstanden sein. Man will die Gesichtszüge der zweiten Gemahlin des Rubens, der
*) Eine reichliche Literatur handelt davon, die bei anderer Gelegenheit angeführt
werden soll.
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ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FRIMMEL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
V. Band
MAI 1909
Heft 3
DAS DIANAGEMÄLDE VON RUBENS AUS DER SAMM,
LUNG MARTIN SCHUBART.
Keinerlei Kunst ist plötzlich entstanden. Allenthalben reichen Wurzeln und
Fäserchen in die Kulturen früherer Zeiten zurück. Die Nachwirkungen der klassh
sehen Antike, die deutlichst noch heute an allen Ecken und Enden zu verspüren
sind, bilden den Schauplatz kunstgelehrter Turnübungen; das Vererben der Kunst'
weisen vom Lehrer auf die Schüler, das Ausbreiten kräftiger Anregungen in
weite Kreise wird beachtet. Wie z. B. Tizians Bilder auf Rubens eingewirkt haben,
ist zuzeiten erörtert worden, und einem solchen Falle kommen wir heute nahe,
wenn wir das Dianabild der Sammlung Schubart eingehend betrachten.
Tizian hat bekanntlich für König Philipp II. von Spanien unter anderen
Werken auch zwei Dianabilder geschaffen, einmal: Diana mit ihrem Gefolge von
Aktäon überrascht, und als Gegenstück: Diana, den Fehltritt der Callisto bemerk
kend. Nach manchen Wanderungen sind diese Leinwänden in die Bridgewater
Gallery gelangt. In Madrid befinden sich jetzt die Kopien. Rubens hat diese
Bilder noch in Madrid gesehen, und aus dem Aktäonbilde, das uns besonders
angeht, hat er die Figur der Diana nahezu entlehnt für das Bild, dessen rechte
Hälfte sich in der Sammlung Schubart befand und heute besprochen wird.
Alles wesentliche in der Haltung der beiden Dianafiguren stimmt überein, auch
wenn das erhobene Bein und der erhobene Arm bei Rubens etwas weiter hinauf'
reichen, als bei Tizian. Im allgemeinen ist der Einfluß des Tizian aus dem Bilde
längst herausgelesen und erwähnt worden, so im Rubens--Werk von Max Rooses
(Bd. III, S. 84), so durch Fr. Schlie ungefähr gleichzeitig im Repertorium für
Kunstwissenschaft (XIII, S. 159) und in einem Artikel von A. Weese in der
Vossischen Zeitung (14. Oktober 1899), um nur Andeutungen zu machen. Daß
Rubens zur Zeit seiner diplomatischen Sendung nach Spanien, 1628, dort viele
Tizians kopiert hat, braucht den Lesern unserer Blätter nicht als Neuigkeit mit'
geteilt zu werden.*) Da es sich um ein bestimmtes Werk des Tizian handelt,
das damals in Spanien gewesen, gewinnt man durch die Klammer TiziamRubens
in unserem Falle einen festen Punkt für die Zeitbestimmung des Dianabildes
der Galerie Schubart. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach erst später als 1628
entstanden sein. Man will die Gesichtszüge der zweiten Gemahlin des Rubens, der
*) Eine reichliche Literatur handelt davon, die bei anderer Gelegenheit angeführt
werden soll.
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