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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 5.1909/​1910

DOI issue:
Heft 6 und 7
DOI article:
Frimmel, Theodor von: Jan Lys und einige seiner Bilder
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https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bl_gemaeldekunde1909_1910/0121

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Blätter für Gemäldekuhoe

ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.

VON
Dr. TH. V. FRIMMEL

- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.

V. Band NOVEMBER —DEZEMBER 1909 Heft 6 und 7

JAN LYS UND EINIGE SEINER BILDER.
Den Holländer Jan Lys kann man mit Zugeständnissen und Einschränkungen
zu den vorzüglichen Meistern rechnen. Eine Einschränkung der Wertschätzung
beziehungsweise ihrer Zuverlässigkeit ergibt sich daraus, daß vorläufig wenige
Werke des Künstlers bekannt geworden sind. Zugeständnisse sind zu machen
in bezug auf seine biblischen Darstellungen, die stark hinter den Sittenbildern
Zurückbleiben. Jan Lys war einer der vielen nordischen Künstler, die nach der
warmen Sonne und heiteren Kunst des Südens begehrten, doch bewahrte er
sich vielleicht mehr Eigenart, als irgend einer der Italienpilger, wie sie schon im
16. Jahrhundert und noch viel häufiger im 17. aus den Niederlanden her
über die Alpen gezogen sind. Lys hat in Italien hauptsächlich das in sich auL
genommen, was seinem Wesen zusagte, das ausgelassene lustige Treiben, die
fröhliche, kräftige Farbe, Die Kunst auf Stelzen blieb ihm fremd, auch wenn
er Versuche gemacht hat, sich in die „höheren“ Regionen der Malerei zu be-
wegen. Vom Norden her behielt er die wesentlichen Züge seiner Stammes'
genossen bei. Haben nun aber die meisten niederländischen Italisten (nehmen
wir einen Rubens und Van Dyck überhaupt aus) ihre nordische Eigenart stark
eingebüßt, so bleibt Jan Lys, der urkräftige Nordländer, ein künstlerischer Nach'
komme des Bosch und des alten Brueghel. Derb und unumwunden sagt er in
seiner Art heraus, was er sagen will, wenigstens in seinen Sittenbildern. Keine
Redensarten der Höflichkeit, keine romanische Gentilezza. Seine trefflichen Sittern
bilder sind echt niederländisch erfunden, auch wenn die Figuren in italienischen
Kostümen stecken. Was er sich von den Eindrücken aus der Kunst Italiens
aber besonders behalten hat, ist das Kolorit, und zwar zumeist das des Gior'
gione. Die satten und dabei dennoch zusammengestimmten Farben des großen
Venezianers klingen in holländischer Transponierung aus den besten Werken
des Jan Lys wieder. Übrigens ist er kein Nachtreter Giorgiones, wie etwa
Chaprioli, Pietro Vecchia, oder Caletti und noch andere. Überhaupt war
er in seiner Kunst ebenso wie in seinem Leben ein eigenartiger Kauz. Tag
und Nacht, wie sie gewöhnlich dem Alltagsmenschen ihre Einteilung aufdrängen,
bezwingen ihn nicht. Die Perioden von Wachen und Schlafen sind bei ihm anders
eingerichtet, als beim Normalphilister. Künstlerische Begeisterung und Ab'
Spannung bestimmen ihm seinen Arbeitstag und seine Nachtruhe. Es mag sich
schwer gelebt haben zu Zeiten, wie es allen ergeht, denen der Tag zumeist zu
lang, oder zu kurz wird, deren Natur nicht regelmäßig mitschwingt mit den

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