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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
Gut erhalten sind meist die Werke
A. Calames, so Nr. 37 im Museum
zu Bern. Wohl erhalten, aber ungepflegt,
nahezu vernachlässigt wurden die Cala-
mes im Musee Rath zu Genf 1906 vor-
gefunden. Der Calame im Künstlergütli
zu Zürich weist treffliche Erhaltung auf.
Eine ungefähr konzentrisch ange-
ordnete Craquelure, diese rührt von
Stößen gegen das Gemälde her, findet
sich an alten Bildern nicht selten und
nun rücken auch die neueren Bilder
schon mit solchen Sprüngen nach.
Andrea Appianis Olymp im Castello-
museum zu Mailand bietet ein be-
sonders auffallendes Beispiel. Leicht
zu erkennen ist eine konzentrische, et-
was verzogene Sprungbildung auch auf
dem Bilde „Die Schwestern“ von Diet-
helm Meyer im Kunstmuseum zu
Bern.
Wie sehr ein Gemälde durch La-
surenrisse entstellt wird, ist im allge-
meinen bekannt. Makarts „Romeo und
Julie“ in der Wiener Galerie gilt dafür
als Paradigma. Viel ärger aber ist durch
Lasurenrisse verdorben, fast bis zur
Unkenntlichkeit verdorben, ein moder-
nes Stilleben in der Straßburger Galerie
(Nr. 493 von J. Valadon).
Geradewegs wüste Lasurenrisse
haben sich auf Courbets Selbstbildnis
im Louvre gebildet (Gesicht und Hände
sind übrigens gut erhalten). In derselben
großen Galerie zeigt ein Ricard bös-
artige Risse in den Lasuren (Nr. 778).
Beobachtung von 1903. Defreggers
„Der verwundete Jäger“ aus dem Jahre
1874 (Stuttgarter Galerie Nr. 722) zeigte
spätestens 1906 merkliche Lasurenrisse.
Wiederholt ist auf die bedenklichen
Risse in den Wandmalereien des Hans
von Marees im Studiensaal der zoolo-
gischen Station zu Neapel aufmerksam
gemacht worden, und daß viele seiner
Staffeleibilder keine lange Lebensdauer
verheißen, steht außer Frage. Man möge
das mit dem technischen Verfahren
des Künstlers in Zusammenhang bringen,
das uns ja kein Geheimnis geblieben
ist*).
Im Berichte über die jüngste Jahres-
ausstellung im Wiener Künstlerhause
(Beilage, Heft III) wurde auf Fragen
der Sprünge und Risse an jungen
Bildern angespielt. Und ich hege die
Absicht, von Zeit zu Zeit einige Beob-
achtungen auf dem angedeuteten Ge-
biete zusammenzustellen. Eine metho-
dische Bearbeitung des Gegenstandes
hätte wohl damit zu beginnen, daß das
Gesamtwerk einzelner Meister gründlich
auf den Erhaltungszustand des einzelnen
geprüft werde. Von großem Nutzen
wäre es, wenn beschreibende Galerie-
kataloge dieser Angelegenheit regelmäßig
ihr Augenmerk zuwenden wollten, und
wenn der technischen Herstellung der
Bilder in den Katalogen mehr Auf-
merksamkeit gewidmet würde. Erst
dann ließen sich zwingende Schlüsse
ziehen, die den heutigen Maler fördern
und das Bilderstudium für künftige
Zeiten etwas erleichtern würden.**)
RUNDSCHAU.
(Vgl. auch die Mitteilungen in Heft III der „Beilage“
und in Heft 3 des Hauptblattes.)
Aachen. Durch die Kunsthandlung Ant.
Creutzer vorm. M. Lempertz (Hochstraße
66 — 68) wurden am 17. und 18. Juni Ölbilder,
Aquarelle, Kunstdrucke und Kunstgegenstände
*) Hiezu hauptsächlich (Karl von Pidoll)
„Aus der Werkstatt eines Künstlers, Erinne-
rungen an den Maler Hans von Marees“ (1890
als Manuskript gedruckt, 1908 für die Öffent-
lichkeit herausgegeben), ferner H. Popp „Bei-
trag zur Geschichte der neueren Künstler-
aesthetik“ 1900, S. 103 ff. und H. Popp „Maler-
aesthetik“ 1902, S. 88 ff. In neuester Zeit
handelten mehrere deutschländische Zeitungen
vom Zustand der Wandmalereien in Neapel,
z. B. das Hamburger Fremdenblatt vom
29. Juni.
**) Damit knüpfe ich an die Erörterungen
an, die in Bd. I, S. 29 dieser Blätter gedruckt
worden sind.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
Gut erhalten sind meist die Werke
A. Calames, so Nr. 37 im Museum
zu Bern. Wohl erhalten, aber ungepflegt,
nahezu vernachlässigt wurden die Cala-
mes im Musee Rath zu Genf 1906 vor-
gefunden. Der Calame im Künstlergütli
zu Zürich weist treffliche Erhaltung auf.
Eine ungefähr konzentrisch ange-
ordnete Craquelure, diese rührt von
Stößen gegen das Gemälde her, findet
sich an alten Bildern nicht selten und
nun rücken auch die neueren Bilder
schon mit solchen Sprüngen nach.
Andrea Appianis Olymp im Castello-
museum zu Mailand bietet ein be-
sonders auffallendes Beispiel. Leicht
zu erkennen ist eine konzentrische, et-
was verzogene Sprungbildung auch auf
dem Bilde „Die Schwestern“ von Diet-
helm Meyer im Kunstmuseum zu
Bern.
Wie sehr ein Gemälde durch La-
surenrisse entstellt wird, ist im allge-
meinen bekannt. Makarts „Romeo und
Julie“ in der Wiener Galerie gilt dafür
als Paradigma. Viel ärger aber ist durch
Lasurenrisse verdorben, fast bis zur
Unkenntlichkeit verdorben, ein moder-
nes Stilleben in der Straßburger Galerie
(Nr. 493 von J. Valadon).
Geradewegs wüste Lasurenrisse
haben sich auf Courbets Selbstbildnis
im Louvre gebildet (Gesicht und Hände
sind übrigens gut erhalten). In derselben
großen Galerie zeigt ein Ricard bös-
artige Risse in den Lasuren (Nr. 778).
Beobachtung von 1903. Defreggers
„Der verwundete Jäger“ aus dem Jahre
1874 (Stuttgarter Galerie Nr. 722) zeigte
spätestens 1906 merkliche Lasurenrisse.
Wiederholt ist auf die bedenklichen
Risse in den Wandmalereien des Hans
von Marees im Studiensaal der zoolo-
gischen Station zu Neapel aufmerksam
gemacht worden, und daß viele seiner
Staffeleibilder keine lange Lebensdauer
verheißen, steht außer Frage. Man möge
das mit dem technischen Verfahren
des Künstlers in Zusammenhang bringen,
das uns ja kein Geheimnis geblieben
ist*).
Im Berichte über die jüngste Jahres-
ausstellung im Wiener Künstlerhause
(Beilage, Heft III) wurde auf Fragen
der Sprünge und Risse an jungen
Bildern angespielt. Und ich hege die
Absicht, von Zeit zu Zeit einige Beob-
achtungen auf dem angedeuteten Ge-
biete zusammenzustellen. Eine metho-
dische Bearbeitung des Gegenstandes
hätte wohl damit zu beginnen, daß das
Gesamtwerk einzelner Meister gründlich
auf den Erhaltungszustand des einzelnen
geprüft werde. Von großem Nutzen
wäre es, wenn beschreibende Galerie-
kataloge dieser Angelegenheit regelmäßig
ihr Augenmerk zuwenden wollten, und
wenn der technischen Herstellung der
Bilder in den Katalogen mehr Auf-
merksamkeit gewidmet würde. Erst
dann ließen sich zwingende Schlüsse
ziehen, die den heutigen Maler fördern
und das Bilderstudium für künftige
Zeiten etwas erleichtern würden.**)
RUNDSCHAU.
(Vgl. auch die Mitteilungen in Heft III der „Beilage“
und in Heft 3 des Hauptblattes.)
Aachen. Durch die Kunsthandlung Ant.
Creutzer vorm. M. Lempertz (Hochstraße
66 — 68) wurden am 17. und 18. Juni Ölbilder,
Aquarelle, Kunstdrucke und Kunstgegenstände
*) Hiezu hauptsächlich (Karl von Pidoll)
„Aus der Werkstatt eines Künstlers, Erinne-
rungen an den Maler Hans von Marees“ (1890
als Manuskript gedruckt, 1908 für die Öffent-
lichkeit herausgegeben), ferner H. Popp „Bei-
trag zur Geschichte der neueren Künstler-
aesthetik“ 1900, S. 103 ff. und H. Popp „Maler-
aesthetik“ 1902, S. 88 ff. In neuester Zeit
handelten mehrere deutschländische Zeitungen
vom Zustand der Wandmalereien in Neapel,
z. B. das Hamburger Fremdenblatt vom
29. Juni.
**) Damit knüpfe ich an die Erörterungen
an, die in Bd. I, S. 29 dieser Blätter gedruckt
worden sind.