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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 3
Biographischen Lexikons*) kam der
glückliche Finder auf den Gedanken,
Beethoven sei auf den Blättern dar-
gestellt. Erzählt doch Wurzbach nach
einer alten Quelle (nach Pachler), Telt-
scher hätte Beethoven nach dessen Tode
gezeichnet. Die erst fraglichen, nach
der Feststellung überzeugender Bild'
nisähnlichkeit aber gewiß nicht mehr
fraglichen Blätter zu veröffentlichen,
wurde mir von deren Besitzer freund-
liehst gestattet, wofür zu danken ich
nicht lange zögere. Halte ich doch diese
Zeichnungen, nach denen ich Jahrzehnte
lang vergeblich gefahndet habe, für eine
wirkliche Bereicherung unseres Wissens
um Beethovens Antlitz. Die zwei Zeich'
nungen sind überdies Kunstwerke, ent'
worfen von einem der besten Porträti'
sten, die Wien in vormärzlicher Zeit
hervorgebracht hat. T eltscher besteht
z. B. neben einem Daffinger sicher mit
Ehren, einem Kriehuber, der wenig
später als Porträtist in Zeichnung,
Aquarell und Steindruck so berühmt
geworden ist, würde ich unseren Telt'
scher sogar vorziehen, entschieden vor'
ziehen. Teltschers Arbeiten verraten
noch alle das Feuer der Jugend, wogegen
die meisten Kriehuberschen Bildnisse
bei allem Wert nur zu sehr die Routine
des vielbeschäftigten handwerklichen Mo'
dekünstlers, die Überreife durchblicken
lassen. Aber nichts weiter von einer Be-
vorzugung Teltschers! Wie leicht meint
einer, man wolle den Gegenstand des
eigenen Artikels loben, oder den Helden
der Geschichte auf Kosten anderer her'
vorheben. Nur eines muß sachlich fest'
gestellt werden, daß die Linienführung
der Zeichnungen vollkommen sicher und
bestimmt ist, daß diese Zeichnungen von
Manierismus weit entfernt bleiben und
viel individuelles Gepräge aufweisen.
Dr. Heymann besitzt eine ganze Reihe
*) „Biographisches Lexikon des Kaiser'
tums Österreich“, Bd.43 (1881), Artikel Teltscher.
von Skizzenbüchern und Steindrucken
desselben Künstlers, dessen Art zu zeich'
nen man wohl nirgends so gut studieren
kann, wie bei dem genannten Sammler*).
So gewinnt man zunächst die feste Über'
zeugung, daß die zwei Blätter, wie alle
übrigen in demselben Skizzenbuche wirk'
liehe Arbeiten Teltschers sind. Die ganze
Masse von T eltschers Skizzenbüchern
bei Heymann stammt aus der Familie
des Künstlers als best beglaubigter Be'
sitz. Die Bildnisähnlichkeit leitet sich
ab von der Vergleichung mit den guten
Bildnissen Beethovens von der Klein'
sehen Maske und Büste**) aus dem Jahre
1812 angefangen über den Stich von
Höfel und die Ölbilder von Schimon,
Stieler zu den Zeichnungen von J. D.
Boehm, Dietrich, Decker und zu den
freilich etwas idealisierten Büsten von
Dietrich***). Auf die Porträte aus der
Jugendzeit Beethovens kommt es in
unserem Fall wenig an. Auch die post'
mortalen Erzeugnisse hätten nur dann
für das Vergleichen Bedeutung, wenn sie
noch vor der Entstellung des Antlitzes
durch den schneidenden und sägenden
Anatomen hergestellt wären.
*) Abgesehen von den Kunstdrucken Telt'
schers, die sich in öffentlichen Sammlungen
finden, ist auch auf die Werke des Künstlers
hinzuweisen, die sich bei dem Maler Haunold
und Baron Koblitz befinden. (Nach freundlicher
Mitteilung Dr. Heymanns.)
Mehrere Arbeiten von Teltscher sind nach'
gebildet in der Schubert'Biographie von Richard
Heuberger. Miniaturen von Teltscher waren
1904 in der Wiener Miniaturenausstellung zu
sehen.
**) Die Büste, getreu nach der Maske ge-
formt, gehört Herrn Emil Streicher in Wien
und ist in einer großen Abbildung von der
Firma E. A. Seemann in Leipzig veröffentlicht
worden. Das Blatt hat mehr Verbreitung ge-
funden, als die zum Teil ohnedies wenig ge-
treuen Abgüsse oder Abbildungen der Maske
selbst. Es kann deshalb als ein bequem zu er-
reichender fester Punkt für Vergleichungen
genannt werden.
***) jjas vielleicht beste Exemplar befindet
sich in Wien bei Frau Henriette Dux. Ab-
bildung im Beethoven-Jahrbuch, Bd. I.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 3
Biographischen Lexikons*) kam der
glückliche Finder auf den Gedanken,
Beethoven sei auf den Blättern dar-
gestellt. Erzählt doch Wurzbach nach
einer alten Quelle (nach Pachler), Telt-
scher hätte Beethoven nach dessen Tode
gezeichnet. Die erst fraglichen, nach
der Feststellung überzeugender Bild'
nisähnlichkeit aber gewiß nicht mehr
fraglichen Blätter zu veröffentlichen,
wurde mir von deren Besitzer freund-
liehst gestattet, wofür zu danken ich
nicht lange zögere. Halte ich doch diese
Zeichnungen, nach denen ich Jahrzehnte
lang vergeblich gefahndet habe, für eine
wirkliche Bereicherung unseres Wissens
um Beethovens Antlitz. Die zwei Zeich'
nungen sind überdies Kunstwerke, ent'
worfen von einem der besten Porträti'
sten, die Wien in vormärzlicher Zeit
hervorgebracht hat. T eltscher besteht
z. B. neben einem Daffinger sicher mit
Ehren, einem Kriehuber, der wenig
später als Porträtist in Zeichnung,
Aquarell und Steindruck so berühmt
geworden ist, würde ich unseren Telt'
scher sogar vorziehen, entschieden vor'
ziehen. Teltschers Arbeiten verraten
noch alle das Feuer der Jugend, wogegen
die meisten Kriehuberschen Bildnisse
bei allem Wert nur zu sehr die Routine
des vielbeschäftigten handwerklichen Mo'
dekünstlers, die Überreife durchblicken
lassen. Aber nichts weiter von einer Be-
vorzugung Teltschers! Wie leicht meint
einer, man wolle den Gegenstand des
eigenen Artikels loben, oder den Helden
der Geschichte auf Kosten anderer her'
vorheben. Nur eines muß sachlich fest'
gestellt werden, daß die Linienführung
der Zeichnungen vollkommen sicher und
bestimmt ist, daß diese Zeichnungen von
Manierismus weit entfernt bleiben und
viel individuelles Gepräge aufweisen.
Dr. Heymann besitzt eine ganze Reihe
*) „Biographisches Lexikon des Kaiser'
tums Österreich“, Bd.43 (1881), Artikel Teltscher.
von Skizzenbüchern und Steindrucken
desselben Künstlers, dessen Art zu zeich'
nen man wohl nirgends so gut studieren
kann, wie bei dem genannten Sammler*).
So gewinnt man zunächst die feste Über'
zeugung, daß die zwei Blätter, wie alle
übrigen in demselben Skizzenbuche wirk'
liehe Arbeiten Teltschers sind. Die ganze
Masse von T eltschers Skizzenbüchern
bei Heymann stammt aus der Familie
des Künstlers als best beglaubigter Be'
sitz. Die Bildnisähnlichkeit leitet sich
ab von der Vergleichung mit den guten
Bildnissen Beethovens von der Klein'
sehen Maske und Büste**) aus dem Jahre
1812 angefangen über den Stich von
Höfel und die Ölbilder von Schimon,
Stieler zu den Zeichnungen von J. D.
Boehm, Dietrich, Decker und zu den
freilich etwas idealisierten Büsten von
Dietrich***). Auf die Porträte aus der
Jugendzeit Beethovens kommt es in
unserem Fall wenig an. Auch die post'
mortalen Erzeugnisse hätten nur dann
für das Vergleichen Bedeutung, wenn sie
noch vor der Entstellung des Antlitzes
durch den schneidenden und sägenden
Anatomen hergestellt wären.
*) Abgesehen von den Kunstdrucken Telt'
schers, die sich in öffentlichen Sammlungen
finden, ist auch auf die Werke des Künstlers
hinzuweisen, die sich bei dem Maler Haunold
und Baron Koblitz befinden. (Nach freundlicher
Mitteilung Dr. Heymanns.)
Mehrere Arbeiten von Teltscher sind nach'
gebildet in der Schubert'Biographie von Richard
Heuberger. Miniaturen von Teltscher waren
1904 in der Wiener Miniaturenausstellung zu
sehen.
**) Die Büste, getreu nach der Maske ge-
formt, gehört Herrn Emil Streicher in Wien
und ist in einer großen Abbildung von der
Firma E. A. Seemann in Leipzig veröffentlicht
worden. Das Blatt hat mehr Verbreitung ge-
funden, als die zum Teil ohnedies wenig ge-
treuen Abgüsse oder Abbildungen der Maske
selbst. Es kann deshalb als ein bequem zu er-
reichender fester Punkt für Vergleichungen
genannt werden.
***) jjas vielleicht beste Exemplar befindet
sich in Wien bei Frau Henriette Dux. Ab-
bildung im Beethoven-Jahrbuch, Bd. I.