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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 5.1909/​1910

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Heft 3
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Frimmel, Theodor von: Der Maler Josef Teltscher und dessen Bildnisse Beethovens
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6o

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 3

Solche kannte man aber bisher nicht.
Denn, was Danhauser am Totenbette
auf Stein gezeichnet und was er dort
abgeformt hat, geht alles auf das ver-
stümmelte, entstellte Antlitz Beethovens
zurück, an dem der Unterkiefer voll-
kommen aus der richtigen Einlenkung
gekommen und die Stirnhaut wesent-
lich verändert war, ganz abgesehen von
kleinen Lageänderungen des Schädel-
daches. Nähere Mitteilungen wurden
schon in den „Beethoven-Studien“ ge-
boten. Nur sei daran erinnert, daß Dan-
hauser erst nach der Obduktion Beet-
hovens Zutritt zum Totenbette hatte. —
Günstiger waren die Bedingungen
für Teltscher, auf dessen Blätter wir
nun zurückkommen wollen. Man wußte
seit lange darum, daß Teltscher den
sterbenden, oder eben verstorbenen Beet-
hoven gezeichnet hat, man wußte es
aus guten Quellen.
So hat Faust Pachler 1865 nach
einem Briefe Jengers (vom 27. März 1827)
mitgeteilt*), daß Teltscher in der Todes-
stunde Beethovens gerade am Bette ge-
standen habe. Die für uns bedeutungs-
volle Stelle im Briefe lautet:
„Gestern abends ’Äö Uhr ist Beet-
hoven verschieden, was Sie vielleicht
durch Freund Anselm Hütten brenn er
— welcher mit Teltscher in der Todes-
stunde gerade am Bette stand — schon
werden erfahren haben, da Anselm
gestern abend 10 Uhr mit Eilwagen
nach Grätz zurückgekehrt ist. Teltscher
zeichnete den Verblichenen un-
mittelbar nach dem Hinscheiden.“
Dann schloß Hüttenbrenner dem Meister

*) Vgl. Faust Pachter: „Beethoven und
Marie Pachter-Koschak“ 1866 (Sonderabdruck
aus der Neuen Berliner Musikzeitung von 1865),
S. 26.
Der Brief Jengers befand sich mit anderen
vor einigen Jahren bei Fräulein Ida Kühnl in
Wien, deren Güte ich die Gelegenheit zum ge-
nauen Studium der Angelegenheit verdanke.
— Das für die vorliegende Arbeit meist Wich-
tige ist durch den Druck hervorgehoben.

die Augen (im Brief steht das Auge).
Faust Pachler merkt dazu an: „Teltscher
kam offenbar mit der Absicht hin, den
Toten zu porträtieren.“ Wie es nach
einer weiteren Quelle scheinen will, hat
Teltscher mit dem Porträtieren schon
vor dem völligen Verscheiden Beethovens
begonnen.
Nach Hüttenbrenners mündlicher
Erzählung, die A. W. Thayer festge-
halten hat, „begann der Maler Teltscher
das Antlitz des sterbenden Beethoven
zu zeichnen“. Das verletzte das Gefühl
des Hofrates St. v. Breuning, des gleich-
falls anwesenden Freundes, der dem
Maler darüber Vorstellungen machte,
„worauf jener seine Papiere einsteckte
und wegging.“ Bei Beethovens letztem
Atemzug sei dann, nach Hüttenbrenner,
nur dieser Berichterstatter und Beet-
hovens Schwägerin im Zimmer ge-
wesen*).
Wir wollen hier nicht untersuchen,
wann gerade die Freunde und Bekann-
ten bei der Tür aus- und eingegangen
sind, sondern begnügen uns mit der
mehrfach beglaubigten**) Tatsache, daß
Teltscher den großen Komponisten
entweder während des Verscheidens,
oder kurz danach porträtiert hat. Zwei
Bleistiftzeichnungen sind in Dr. Hey-
manns Skizzenbuch erhalten. Man mag
sich wohl vorstellen, daß Beethoven im
Todeskampf dargestellt ist. Die Augen
stehen noch offen. Hüttenbrenner hatte
in den Minuten, als Teltscher zeichnete,
noch nicht den Brauch ausgeübt, dem
Verstorbenen die Augen zu schließen.
Daß dieses aber wirklich geschehen ist,
haben wir aus Jengers Brief vom
27. März 1827 erfahren. Beethoven mag
*) Hiezu hauptsächlich der 5. Band der
Beethoven-Biographie von A. W. Thayer (über-
setzt von H. Deiters, herausgegeben von H.
Riemann), S. 488ff. und die dort angeführte
Literatur.
**) Hiezu auch G. v. Breuning: „Aus dem
Schwarzspanierhause“, S. 110.
 
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