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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
lieber sein wird, als eigensinniges
Schweigen. *)
Das älteste Bild in der ganzen
Masse war sicherlich der Christoph
aus Götzendorf, der dem oberöster-
reichischen Stift Schlägl gehört. Augen-
scheinlich ist es ein Werk von kräftiger
gesunder oberdeutscher Hand aus der
Zeit um die Mitte des XV. Jahrhunderts.
Wenn man den Ausdruck allgemein
nimmt, gehört diese Tafel der Kunst-
art des Konrad Witz, sicher aber nicht
seiner Schule an. Der Meister des
Christoph von Götzendorf faßte seine
Aufgabe etwas roher an, als der west-
deutsche Witz, der an und für sich
gewiß auch kein Feinmaler war. Die
Abbildung auf S. 83 unterrichtet einiger-
maßen über die Darstellung. Einige
Worte seien zur Erläuterung beigefügt.
Man möge sich die Figur fast lebens-
groß vorstellen. Als realistische Züge
seien die Tiere in den vorderen Gründen
und ihrem Wasser angeführt: so die
Fische, unter denen ein Hecht ziemlich
gut gekennzeichnet ist, vorne ein kleiner
Storch und große Schnecken. Nicht zu
übersehen sind links im Mittelgründe
der Einsiedler und rechts weiter zurück
das Martyrium des heiligen Sebastian.
Temperamalerei, stellenweise stark ver-
putzt, so daß die Faserung des Nadel-
holzes auf der Schönseite erkennbar
wird.
Ein kleines Christophbild aus dem
Besitz des Herrn Dr. Krackowitzer in
Linz ist mir schon sehr im Gedächtnis
*) Die Benennungen vieler Bilder waren
gewiß nicht anzunehmen, daher mir auch das
Entwerfen eines Kataloges manche Schwierig-
keiten bot. Mit dem Notieren der falschen und
einer vermutlich genaueren Benennung wurde
viel Zeit vertan, so daß für beschreibende
Arbeit wenig mehr übrig blieb; oder umge-
kehrt: neben den beschreibenden Angaben
wurde die Namengebung und anderes nicht
genügend beachtet. Wer vermöchte innerhalb
weniger Tage oder gar Stunden einen Cata-
logue raisonne für eine ganze Ausstellung zu
liefern?
verblaßt. Ich notierte: Wohl salzburgisch,
XV. Jahrhundert.
Zart und fein behandelt waren die
vier sogenannten Meckenem angeblich
aus dem Jahre 1482 (zwei Bilder mit
Kirchenvätern, eines mit der Flucht der
heiligen Familie, das vierte mit einem
Bischof, der vor der Madonna kniet),
doch sind Signatur und Jahreszahl
augenscheinlich falsch, und die Be-
nennung ist sicher unrichtig. Die Ent-
stehungszeit dürfte ja ungefähr dieselbe
sein, die der fälschende Pinsel hinge-
schrieben hat, aber die Örtlichkeit und
der Meistername sind gewiß übel ge-
wählt gewesen. Man wird nach Ober-
deutschland auf die Suche gehen müssen.
Diese Bilder verdienen das vertiefte
Studium eines Spezialisten. Sie waren
aus dem Besitz Sr. Exzellenz des
Bischofs Dr. Doppelbauer in Linz aus-
gestellt.
Aus demselben Besitz kam bei
Gelegenheit der Linzer Jubiläumsaus-
stellung auch ein interessantes italie-
nisches, viel kleineres Bild zum Vor-
schein, eine Halbfigur Christi, die
irrtümlicherweise dem Mantegna zu-
geschrieben war. Auch dieses Gemälde
(anbei abgebildet) sei der aufmerksamen
Sonderforschung wärmstens empfohlen.
In der Benennungsarbeit ist bei diesem
hoch wertvollen Bilde der abweisende
Teil sehr bald geliefert. Mantegna
kann nicht anerkannt werden. Weder
die Auffassung im ganzen, noch die
Formen im einzelnen würden diese
Benennung rechtfertigen. Übrigens steckt
etwas im Bilde, das es der Gruppe
der Schüler des Squarcione*) nä-
hert, zu der bekanntlich auch Mantegna
gehört hat. In der Sammlung Sr. Ex-
zellenz des Herrn Barons Hein. Tücher
in Wien hängt eine kleine Christusdar-
stellung, die dem Bernardino Paren-
*) Eingehende Erörterungen über diesen
Künstler sind für eines der nächsten Hefte
vorbereitet.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
lieber sein wird, als eigensinniges
Schweigen. *)
Das älteste Bild in der ganzen
Masse war sicherlich der Christoph
aus Götzendorf, der dem oberöster-
reichischen Stift Schlägl gehört. Augen-
scheinlich ist es ein Werk von kräftiger
gesunder oberdeutscher Hand aus der
Zeit um die Mitte des XV. Jahrhunderts.
Wenn man den Ausdruck allgemein
nimmt, gehört diese Tafel der Kunst-
art des Konrad Witz, sicher aber nicht
seiner Schule an. Der Meister des
Christoph von Götzendorf faßte seine
Aufgabe etwas roher an, als der west-
deutsche Witz, der an und für sich
gewiß auch kein Feinmaler war. Die
Abbildung auf S. 83 unterrichtet einiger-
maßen über die Darstellung. Einige
Worte seien zur Erläuterung beigefügt.
Man möge sich die Figur fast lebens-
groß vorstellen. Als realistische Züge
seien die Tiere in den vorderen Gründen
und ihrem Wasser angeführt: so die
Fische, unter denen ein Hecht ziemlich
gut gekennzeichnet ist, vorne ein kleiner
Storch und große Schnecken. Nicht zu
übersehen sind links im Mittelgründe
der Einsiedler und rechts weiter zurück
das Martyrium des heiligen Sebastian.
Temperamalerei, stellenweise stark ver-
putzt, so daß die Faserung des Nadel-
holzes auf der Schönseite erkennbar
wird.
Ein kleines Christophbild aus dem
Besitz des Herrn Dr. Krackowitzer in
Linz ist mir schon sehr im Gedächtnis
*) Die Benennungen vieler Bilder waren
gewiß nicht anzunehmen, daher mir auch das
Entwerfen eines Kataloges manche Schwierig-
keiten bot. Mit dem Notieren der falschen und
einer vermutlich genaueren Benennung wurde
viel Zeit vertan, so daß für beschreibende
Arbeit wenig mehr übrig blieb; oder umge-
kehrt: neben den beschreibenden Angaben
wurde die Namengebung und anderes nicht
genügend beachtet. Wer vermöchte innerhalb
weniger Tage oder gar Stunden einen Cata-
logue raisonne für eine ganze Ausstellung zu
liefern?
verblaßt. Ich notierte: Wohl salzburgisch,
XV. Jahrhundert.
Zart und fein behandelt waren die
vier sogenannten Meckenem angeblich
aus dem Jahre 1482 (zwei Bilder mit
Kirchenvätern, eines mit der Flucht der
heiligen Familie, das vierte mit einem
Bischof, der vor der Madonna kniet),
doch sind Signatur und Jahreszahl
augenscheinlich falsch, und die Be-
nennung ist sicher unrichtig. Die Ent-
stehungszeit dürfte ja ungefähr dieselbe
sein, die der fälschende Pinsel hinge-
schrieben hat, aber die Örtlichkeit und
der Meistername sind gewiß übel ge-
wählt gewesen. Man wird nach Ober-
deutschland auf die Suche gehen müssen.
Diese Bilder verdienen das vertiefte
Studium eines Spezialisten. Sie waren
aus dem Besitz Sr. Exzellenz des
Bischofs Dr. Doppelbauer in Linz aus-
gestellt.
Aus demselben Besitz kam bei
Gelegenheit der Linzer Jubiläumsaus-
stellung auch ein interessantes italie-
nisches, viel kleineres Bild zum Vor-
schein, eine Halbfigur Christi, die
irrtümlicherweise dem Mantegna zu-
geschrieben war. Auch dieses Gemälde
(anbei abgebildet) sei der aufmerksamen
Sonderforschung wärmstens empfohlen.
In der Benennungsarbeit ist bei diesem
hoch wertvollen Bilde der abweisende
Teil sehr bald geliefert. Mantegna
kann nicht anerkannt werden. Weder
die Auffassung im ganzen, noch die
Formen im einzelnen würden diese
Benennung rechtfertigen. Übrigens steckt
etwas im Bilde, das es der Gruppe
der Schüler des Squarcione*) nä-
hert, zu der bekanntlich auch Mantegna
gehört hat. In der Sammlung Sr. Ex-
zellenz des Herrn Barons Hein. Tücher
in Wien hängt eine kleine Christusdar-
stellung, die dem Bernardino Paren-
*) Eingehende Erörterungen über diesen
Künstler sind für eines der nächsten Hefte
vorbereitet.