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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
tino zugeschrieben wird und die nach
dem Gesichtstypus und einigen anderen
Merkmalen mit dem Linzer Christus
zusammenhängt (Abbildung im Mün-
ebener Jahrbuch der bildenden Kunst,
Band II). Doch steht das Linzer Bild
künstlerisch höher; auch dürfte es nicht
von derselben Hand sein. Es weist
manche Züge auf, besonders in den
Gewandfalten, die es rechtfertigen wür-
den, bei den ferraresischen Quattrocen-
tisten nachzusuchen, in erster Linie bei
Francesco Cossa (geb. um 1435, gest.
1477) *), der nicht selten mit Mantegna
verwechselt worden ist. Das Verkündi-
gungsbild der Dresdener Galerie trug
auch den Namen (und eine Zeitlang die
falsche Signatur) Mantegna, und Morelli
verallgemeinert es sogar, daß Fr. Cossa
außerhalb Italiens gewöhnlich für Man--
tegna, auch für Marco Zoppo ange-
sprochen wird.**) Sichere Werke des
Fr. Cossa hat man in Bologna und
Ferrara zur Verfügung, und solche, die
ihm seit Morelli, Frizzoni, Harck an
anderen Orten mit Berechtigung zuge-
schrieben werden, sind ohne Schwierig-
keiten aufzufinden. Danach scheinen
mir an dem Christus in Linz die Bildung
der Gewandfalten besonders auf der
Brust und die Formung der Hände und
*) Zu Cossa kommen nach Crowe und
Cavalcaselle besonders in Frage: G. Morellis
kunstkritische Studien, ferner die französische
Zeitschrift „L’Art“ von 1888 (Venturi), Thodes
„Kunstfreund“ Nr. 9, S. 129 ff. (Venturi), das
„Jahrbuch der königlich preußischen Kunst-
sammlungen“ von 1884 (Fr. Harck), die „Zeit-
schrift für bildende Kunst“ XXIII, S. 299 ff.
(mit Abbildung des St. Vincenz Ferrer in
der Nationalgalerie zu London), XXIV, S. 163 ff.
(Frizzoni zum Bilde der Dresdener Galerie),
Repertorium für Kunstwissenschaft XVII,
S. 313 (Harck). Ferner die Zeitschriften „Ar-
chivio storico dell’ arte“ und „L’Arte“ passim,
Venturi „Le Galerie nazionali italiane“, I. Bd,
und eine Reihe von Galerieverzeichnissen,
nicht zuletzt der neue illustrierte Katalog der
Breragalerie zu Mailand.
**) Morelli: „Die Galerien Borghese und
Doria Panfili in Rom“ 1890 (S. 285).
Augen an Francesco Cossa näher heran-
zureichen als an Mantegna.
Ein Holbein war in seiner Be-
nennung sicher vergriffen. Ich meine
das aus dem Stift Kremsmünster
wohl manchem meiner Leser bekannte
kleine Bildnis einer alten Frau. Sie ist
in halber Figur dargestellt, Kopf in
halbem Profil nach rechts. Große, weiße
Haube. Rosenkranz, worein eine Gebet-
nuß eingefügt ist. Die Kunststufe dieses
Porträts ist höchstens die eines Hans
Asper oder B. Bruyn und reicht nicht
entfernt an den großen Holbein heran.
Die Hände allein schließen diesen
Namen mit Sicherheit aus. Überdies
wäre das Bild viel eher als niederdeutsch
zu führen, denn als schweizerisch. Dem
Kremsmünsterer Bildnis steht ziemlich
nahe eines in Lille.
Ein Kranach (Werkstattbild) aus
demselben Stift gab zu Widerspruch
keine Veranlassung (Adam und Eva).
Als Besitz des Stiftes Wilhering
habe ich eine ziemlich große Leinwand
notiert, die eine Madonna nach Dürer-
scher Erfindung darstellt. Es sind
ungefähr dieselben Linien und Formen
wie auf den angeblichen Dürer-Bildern
im Rudolfinum zu Prag und bei
H. Cook in Richmond. Die Wilheringer
Leinwand mag um 1600 entstanden sein.
„1601“ steht in alter Schrift auf einer
„VENVS“ (auch dieses steht auf dem
Bilde), die wohl mit Recht als Arbeit
des Hans von Aachen betrachtet wird.
Neben Venus noch Amor. Halbfiguren.
(Besitzer Herr Hofrat Jeglinger in Linz,
der mir gütigst mitteilt, daß dieses Bild
auf Eichenholz 49 X 41 cm gemalt ist.)
Von demselben Künstler, dem vor
kurzem R. A. Peltzer in den Blättern
für Gemäldekunde eine Studie ge-
widmet hat, war die kleine Halbfigur
einer Lukrezia aus dem Stift St. Florian
ausgestellt.
Wie mir scheint, echt war ein un-
gefähr lebensgroßes Brustbild eines
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 4 und 5
tino zugeschrieben wird und die nach
dem Gesichtstypus und einigen anderen
Merkmalen mit dem Linzer Christus
zusammenhängt (Abbildung im Mün-
ebener Jahrbuch der bildenden Kunst,
Band II). Doch steht das Linzer Bild
künstlerisch höher; auch dürfte es nicht
von derselben Hand sein. Es weist
manche Züge auf, besonders in den
Gewandfalten, die es rechtfertigen wür-
den, bei den ferraresischen Quattrocen-
tisten nachzusuchen, in erster Linie bei
Francesco Cossa (geb. um 1435, gest.
1477) *), der nicht selten mit Mantegna
verwechselt worden ist. Das Verkündi-
gungsbild der Dresdener Galerie trug
auch den Namen (und eine Zeitlang die
falsche Signatur) Mantegna, und Morelli
verallgemeinert es sogar, daß Fr. Cossa
außerhalb Italiens gewöhnlich für Man--
tegna, auch für Marco Zoppo ange-
sprochen wird.**) Sichere Werke des
Fr. Cossa hat man in Bologna und
Ferrara zur Verfügung, und solche, die
ihm seit Morelli, Frizzoni, Harck an
anderen Orten mit Berechtigung zuge-
schrieben werden, sind ohne Schwierig-
keiten aufzufinden. Danach scheinen
mir an dem Christus in Linz die Bildung
der Gewandfalten besonders auf der
Brust und die Formung der Hände und
*) Zu Cossa kommen nach Crowe und
Cavalcaselle besonders in Frage: G. Morellis
kunstkritische Studien, ferner die französische
Zeitschrift „L’Art“ von 1888 (Venturi), Thodes
„Kunstfreund“ Nr. 9, S. 129 ff. (Venturi), das
„Jahrbuch der königlich preußischen Kunst-
sammlungen“ von 1884 (Fr. Harck), die „Zeit-
schrift für bildende Kunst“ XXIII, S. 299 ff.
(mit Abbildung des St. Vincenz Ferrer in
der Nationalgalerie zu London), XXIV, S. 163 ff.
(Frizzoni zum Bilde der Dresdener Galerie),
Repertorium für Kunstwissenschaft XVII,
S. 313 (Harck). Ferner die Zeitschriften „Ar-
chivio storico dell’ arte“ und „L’Arte“ passim,
Venturi „Le Galerie nazionali italiane“, I. Bd,
und eine Reihe von Galerieverzeichnissen,
nicht zuletzt der neue illustrierte Katalog der
Breragalerie zu Mailand.
**) Morelli: „Die Galerien Borghese und
Doria Panfili in Rom“ 1890 (S. 285).
Augen an Francesco Cossa näher heran-
zureichen als an Mantegna.
Ein Holbein war in seiner Be-
nennung sicher vergriffen. Ich meine
das aus dem Stift Kremsmünster
wohl manchem meiner Leser bekannte
kleine Bildnis einer alten Frau. Sie ist
in halber Figur dargestellt, Kopf in
halbem Profil nach rechts. Große, weiße
Haube. Rosenkranz, worein eine Gebet-
nuß eingefügt ist. Die Kunststufe dieses
Porträts ist höchstens die eines Hans
Asper oder B. Bruyn und reicht nicht
entfernt an den großen Holbein heran.
Die Hände allein schließen diesen
Namen mit Sicherheit aus. Überdies
wäre das Bild viel eher als niederdeutsch
zu führen, denn als schweizerisch. Dem
Kremsmünsterer Bildnis steht ziemlich
nahe eines in Lille.
Ein Kranach (Werkstattbild) aus
demselben Stift gab zu Widerspruch
keine Veranlassung (Adam und Eva).
Als Besitz des Stiftes Wilhering
habe ich eine ziemlich große Leinwand
notiert, die eine Madonna nach Dürer-
scher Erfindung darstellt. Es sind
ungefähr dieselben Linien und Formen
wie auf den angeblichen Dürer-Bildern
im Rudolfinum zu Prag und bei
H. Cook in Richmond. Die Wilheringer
Leinwand mag um 1600 entstanden sein.
„1601“ steht in alter Schrift auf einer
„VENVS“ (auch dieses steht auf dem
Bilde), die wohl mit Recht als Arbeit
des Hans von Aachen betrachtet wird.
Neben Venus noch Amor. Halbfiguren.
(Besitzer Herr Hofrat Jeglinger in Linz,
der mir gütigst mitteilt, daß dieses Bild
auf Eichenholz 49 X 41 cm gemalt ist.)
Von demselben Künstler, dem vor
kurzem R. A. Peltzer in den Blättern
für Gemäldekunde eine Studie ge-
widmet hat, war die kleine Halbfigur
einer Lukrezia aus dem Stift St. Florian
ausgestellt.
Wie mir scheint, echt war ein un-
gefähr lebensgroßes Brustbild eines