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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0030
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LANTERNARIUS

LANTERNARIUS
VON ROBERT ZAHN
Das kleine reizende Kunstwerk, dessen Erwerbung für die Sammlung des Anti-
quariums Seine Exzellenz der Herr Generaldirektor ermöglicht hat, und das hier zum
ersten Male veröffentlicht wird (Tafel und Abb. 1, 2)'), wurde nach sehr glaubwürdiger
Angabe in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Gegend von Trier
gefunden. Am Boden, der als Fels oder Erderhöhung gekennzeichnet ist, kauert
schlafend ein Knabe. Er hockt auf dem Hacken des unter dem Gewände fast ganz
verschwindenden rechten Beines, dessen Knie den Boden nicht berührt. Das linke
Bein, mit dem Fuße fest aufgesetzt und im Knie scharf gebogen, ist eng an den Körper
angezogen. Diese Stellung, die uns recht unbequem vorkommt, war den Alten offen-
bar ganz geläufig, denn wir begegnen ihr nicht selten bei antiken Bildwerken. Auf
dem linken Knie sind die Hände übereinander gelegt und auf ihnen ruht wieder das leicht
nach links geneigte Köpfchen. Unsere Figur löst so die Aufgabe, wie der mensch-
liche Körper möglichst geringen Raum einnehmen kann.
Vortrefflich sind die weichen Formen des kindlichen Alters wiedergegeben. Arm
und Hand sind voll, am Ansätze der Finger bilden sich leichte Grübchen. Die Stirn
ist rund, leicht nach rückwärts fliehend. Das Stumpfnäschen, der weiche Mund, der
im Schlafe leicht geöffnet ist, die kräftigen Pausbacken, die wie das Kinn von nied-
lichen Grübchen belebt werden, sind weitere gut beobachtete Kennzeichen der Jugend.
Das Haar hängt in einzelnen Ringeln in die Stirn, umgibt in reichster Fülle das Ge-
sicht und fällt hinten in dicken Locken bis auf den Nacken.
Als Gewand trägt der Kleine einen bis unter die Kniee reichenden Rock aus
derbem Wollstoff. Durch die Gürtung bildet sich ein nachlässig angeordneter tiefer
Bausch unterhalb der Hüften. Der Knabe friert, darum hat er den Saum der Hals-
öffnung hochgezogen und darin den unteren Teil des Kinnes geborgen. Auch die
Arme sind fast ganz im Gewände versteckt. Es hat ganz kurze Ärmel und ist dabei
so weit, daß auch noch ein gutes Teil des Schulterstückes auf die Arme fällt. Als
Fußbekleidung dient eine leichte Sandale. Von einem die Knöchel umschließenden
Gurte laufen mehrere Riemen teils zwischen den Zehen, teils neben ihnen zur Sohle.
Zwischen den Beinen hält der Knabe ein zylindrisches Gerät mit halbkugeligem
Deckel, das bei anderen, unserer sehr ähnlichen Figuren schon lange als Laterne er-

*) Inv. 30242. — Höhe ohne Bügel 0,095, mit Bügel 0,115 m. — Eingehendere Nach-
weise wird eine demnächst erscheinende Behandlung der Figur in größerem Zusammen-
hänge geben.
 
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