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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0236
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ZUSAMMENHANG ODER KONVERGENZ

ZUSAMMENHANG ODER KONVERGENZ
VON F. VON LUSCHAN
Im Chinesen viertel in San Francisco habe ich 1914 den hier abgebildeten Anhänger
aus Nephrit erworben (Abb. 1). Eine genaue Datierung ist zunächst noch unmöglich;
weniger nach dem Stile als nach der recht weit vorgeschrittenen Altersveränderung der
Oberfläche des Steines möchte ich bei Vergleich mit datierten Stücken annehmen, daß
er eher dem Anfänge als der Mitte unseres Jahrtausends angehören dürfte. Ein völlig
gleichartiges, nur etwas größeres Stück befindet sich in der schönen Jade-Sammlung
von Dr. Drummond in New York. Seine Oberfläche ist tadellos erhalten, wahrscheinlich
ist es eine spätere Replik. Beide Stücke zeigen einen auf einem Delphine sitzenden
Mann, selbstverständlich Arion. Die Sterne auf dem Leib des Delphins zwingen aber
noch weiter zu der Auffassung der Gruppe als Sternbild — haben doch die Alten
Arions Leier und den Delphin unter die Sternbilder versetzt.
Gelehrte chinesische Sammler, denen ich mein Stück zeigen konnte, erklärten die
Sterne freilich für Schuppen und den Delphin für einen Karpfen. Beides ist natürlich
falsch, aber aus dem Delphin der griechischen Mythe ist in China allerdings recht
früh schon ein Karpfen geworden. So kann ich hier nach F. Hirth, »Scraps from a
Collector’s Notebook«, Leiden, Brill, 1905 eine von Huang-Hau herrührende Kopie
eines Gemäldes von Sü-Wön-Ch'ang reproduzieren (Abb. 2), der von 1521 bis 1593 lebte.
Das Bild zeigt den berühmten Sänger K'in-kau, wie er nach einem alten chinesischen
Fabelbuche, dem Lie-sien-chuan, auf einem roten Karpfen sitzend, in seine Heimat
zurückkehrt, nachdem er zweihundert Jahre unter Wasser in Flüssen zugebracht hatte.
Hirth berichtet auch, daß der Name K'in-kau mit K'in = Laute Zusammenhänge und daß
der Mann eine durchaus sagenhafte Persönlichkeit sei — aber er denkt nicht an Arion
und hält offenbar nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt der Darstellung für
rein chinesisch.
Nun ist gerade Hirth einer der wenigen Sinologen, die über den fast unüber-
windlichen Schwierigkeiten des engeren Faches sich auch den Blick ins Weite gewahrt
haben und über die großen kulturhistorischen Zusammenhänge nachdenken. Auch hat
er ein berühmtes Buch über fremden Einfluß in der chinesischen Kunst geschrieben.
So könnte es zunächst vielleicht auffällig erscheinen, daß er hier einen zweifellos fremden
Einfluß und einen sicheren Zusammenhang zwischen Ost und West unerwähnt läßt.
Aber das scheint nur uns auffällig, denn bei dem Gemälde des Sü-Wön-Ch'ang brauchte
niemand an Arion zu denken; daß Menschen (oder Affen) auf dem Rücken von Tieren
schwimmen, kommt ja auch anderwärts vor, so in einer sehr bekannten Suahelierzählung,
die ihrerseits wieder auf die Geschichte vom Esel des Wäschermannes im Pantscha-
tantra zurückgeht. So hätte damals auch der Inhalt des der Form nach rein chinesischen
 
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