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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0185
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NORDISCHER EINFLUSZ IM MYKENISCHEN VON C. SCHUCHHARDT

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NORDISCHER EINFLUSZ IM MYKENISCHEN
DIE GESCHICHTE EINES ORNAMENTMOTIVS

VON C. SCHUCHHARDT
Bei den Fundamentierungsarbeiten auf der Museumsinsel wurde 1911 ein merk-
würdiger gegen 4000 Jahre alter verzierter Tontopf gefunden, der damals dem verehr-
ten Urheber der großen Bauten viel Vergnügen machte und den ich ihm heute im
Lichte einer alteuropäischen Kulturbetrachtung wieder vorführen möchte.
Das Gefäß lag 4 m unter dem heutigen Boden am Rande des ungeheuren Loches,
das die Arbeiten dort so sehr gestört hat, und ist offenbar mit dem Spreeschlamm von
weiter oben her hier abgesetzt worden. An eine steinzeitliche Siedlung an dieser ganz
versumpften Stelle ist nicht zu denken.
Es ist eine kuglige kleine Amphora von 16’/2 cm Höhe und 19 cm größter Weite
mit einem kurzen von einem Wulst umlegten Halse, verziert in radialer Einteilung mit
6 breiten Bändern, die vom Halse bis zur Bauchmitte herabgehen und hier vor einem
schmalen ringsum laufenden Bande aufgenommen werden. Die Verzierungen sind in
Linien eingekratzt (Abb. 1). Das Bauchband besteht nur aus zwei Linien, die vertikalen
Bänder dagegen haben 7—10 Linien und beiderseits einen Saum von ausspringenden
Dreiecken. Aus zwei einander gegenüberliegenden Bändern wachsen derbe Henkel,
nur zum Durchziehen einer Schnur bestimmt, hervor.
Wie solche Verzierung zu erklären ist, kann bei einem einzelnen Stück zweifel-
haft sein. Man könnte die Bänder als eine Umschnürung des Gefäßes, die es tragbar
machen sollte, auffassen; und dazu war ich selbst früher geneigt. Was hat dann aber
der Zickzacksaum an den breiten Vertikalbändern zu bedeuten? Ist er nur eine will-
kürliche Ausgestaltung des Randes? Und wie wäre man zu einer solchen bei den an
sich schon sehr breiten Bändern gekommen? Eine Umschau bei verwandtem Material führt
auf etwas anderes. Unser Gefäß von der Museumsinsel gehört zu der von Thüringen
ausgegangenen Gattung der »Schnurkeramik«, so genannt, weil ihre Verzierungen
vielfach mit Schnüren eingedrückt sind oder eingedrückt scheinen. Bei dieser Gefäß-
gattung gehören Stücke wie unser Topf zu den flüchtiger hergestellten, die besseren
verschmähen nicht ohne Grund das summarische Verfahren des Einritzens der Linien
und sind auch dichter verziert. Sie wollen ersichtlich den Eindruck von zierlichem
Strohgeflecht machen. Von den fünf Gefäßen, die ich zum Beweise hierneben ab-
bilde (Abb. 2), ist eines ein ebensolcher Kugeltopf und hat dieselben groben Ritz-
bänder wie unserer auf der Schulter (e); der Saum der Bänder wird aber nicht durch ein
Zickzack, sondern durch kurze, seitlich abstehende Linien, die wie Fransen erscheinen,
gebildet. Zwei andere Gefäße, hohe Becher (b, c) haben schmälere oder breitere Ver-
tikalbänder ohne Saum, die Horizontalbänder darunter und darüber stellen aber den

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