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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0176
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DER EUROPATEPPICH IM KAISER-FRIEDRICH-MUSEUM

DER EUROPATEPPICH IM KAISER-FRIEDRICH-MUSEUM
VON FRIDA SCHOTTMÜLLER
Italien ist die eigentliche Stätte der Wandmalerei; die Heimat der Bildwirkerei da-
gegen liegt diesseits der Alpen, Wohl sind auch hier — in Deutschland, Frankreich
und den Niederlanden — während des Mittelalters und seit der Renaissance kirchliche
und profane Innenräume mit Fresken verziert worden; doch weist schon die gebräuch-
liche Bezeichnung — Fresco — nach dem Süden, während der Wandteppich in Italien
von jeher Arazzo nach der heute französischen Stadt Arras heißt. Erst nach ihrer Zer-
störung 1477 wurden Brügge, dann Brüssel Zentren der Bildwirkerei; zu jener Zeit aber
war das Wort Arazzo schon Eigenname für solche Arbeiten geworden.
Orientalische Teppiche müssen schon um 1300 im westlichen Europa bekannt
gewesen sein. Als ältestes Dokument für ihre Einfuhr gilt die Darstellung auf einem
Giotto zugeschriebenen Triptychon in der St.-Peter-Sakristei zu Rom *). In der Folgezeit
kommen sie häufig auf italienischen und niederländischen Gemälden vor. Anderseits
sind die Bildwirkereien aus dem nordwestlichen Europa schon früh im Orient geschätzt
worden: der Sohn Philipps des Kühnen ward 1396 durch eine Teppichfolge aus Arras,
die Alexanders des Großen Taten verbildlichte, aus türkischer Gefangenschaft losgekauft.
Über die Alpen kamen derartige Arbeiten vermutlich zuerst als Geschenke oder
durch Händler; und die Inventare der italienischen Fürstenschlösser lassen erkennen,
daß sie trotz der nie aufgegebenen Wandmalerei seit dem XV. Jahrhundert in großer
Zahl gesammelt wurden, als notwendige Ausstattungsstücke vornehmer Häuser. Außer-
dem hat man jenseits der Alpen bis in das XIX. Jahrhundert hinein bei festlichen An-
lässen Straßen, Plätze und offene Hallen mit Bildwirkereien dekoriert. Noch heute
finden sich viele niederländischer Herkunft in italienischem Besitz, in den Domen von
Pienza und Mailand, dem Palazzo Doria zu Rom, in Fermo und andern Orten.
In Italien stand seit dem XIII. Jahrhundert die Seidenweberei in hoher Blüte; große
und kleine Stücke dieser köstlichen Gewebe sind in Palästen und Kirchen sowie in
den Museen diesseits und jenseits der Alpen zu finden. Auf Gemälden der späten
Gotik und Renaissance ist mancher Thron, manche Wand oder Türöffnung mit ihnen
behängt; auch bei gemalten Gewändern ist das prächtige Muster, die schöne Farben-
zusammenstellung, später auch der schillernde Lüster dieser Stoffe nachgebildet. Selbst
bei andern Techniken, wie etwa den toskanischen Fußbodenmosaiken1 2), ist der Einfluß
der stilisierten Ranken- und phantastischen Tierformen italienischer Seidenmuster er-
kennbar. Um so verwunderlicher ist es, daß die Bildwirkerei erst so spät auf der
apenninischen Halbinsel heimisch wurde.
1) W. Bode und E. Kühnel, Vorderasiatische Knüpfteppiche aus älterer Zeit. S. 110.
2) Otto von Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei II, S. 29 u. Fig. 263ff.
 
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