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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0204
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ATHENE — VAJRAPANI

ATHENE - VAJRAPANI
VON ALBERT GRÜNWEDEL
Zu den interessantesten Aufgaben der buddhistischen Kunstmythologie gehört die
Frage, wie weit bei der Entwicklung der Typen antiker Einfluß erwiesen werden kann.
Bei der eklektischen Art, mit der die Künstler sich der rein formalen Seite bedienten,
indem sie bald dies Motiv oder Attribut, bald jenes zur Ausgestaltung der in den Le-
genden vorkommenden Götter, Heiligen und sonstigen Personen verwendeten, stehen
uns allerlei Überraschungen bevor. Das Überraschende wird aber schwinden, wenn
aus der Summe der einzelnen Entlehnungen sich eine deutliche Schicht ergibt, deren
Elemente, trotz ihrer Umdeutung erkannt und zurechtgerückt, sich in dieser Schicht
wieder treffen und so beweisend wirken.
Vor Jahren habe ich bei Besprechung der damals nur sehr wenig zugänglichen
Gandhära-Skulpturen die Gestalt des Vajrapäni als eine der vielseitigsten und schwie-
rigsten der ganzen Kunstentwicklung von verschiedenen Seiten her zu behandeln ver-
sucht. Hier erlaubt mir nun freilich der Raum nicht, die ganze Sache wieder aufzu-
rollen')• Nur das Folgende möchte ich sagen: In den Reliefs der Gandhära-Schule
erscheint stets neben dem Buddha bei allen Szenen, die sein Lehramt darstellen, und
endlich auch bei der Todesszene (Mahäparinirväna) eine Gottheit, die mit einem Donner-
keil bewehrt den Buddha begleitet oder in seinen Absichten unterstützt. Als Diener
Buddhas führt diese Gottheit in der einen Hand meist noch einen Fliegenwedel. Auf-
fallend war damals schon das ungewöhnliche Schwanken in Körperform, Kleidung und
Haltung dieses Wesens. Verschiedene antike Typen (Zeus, Eros, Herakles usw.) mochten
diesen Variationen zugrunde liegen.
In der ungemein reichen Sammlung von Temperagemälden, welche in den letzten
Jahren die zentralasiatischen Expeditionen aus Chinesisch-Türkistan mitgebracht haben,
erscheint nun eine neue, gepanzerte Form dieser Gottheit. Sie kommt in allen Stil-
arten und an allen Lokalitäten sowohl in der Oase Kutscha wie bei Qarashahr oder
in der Oase Turfan vor. Bald ist dieser Gott bärtig, bald unbärtig, bald gekrönt, bald
behelmt, seine Hautfarbe ist weiß, auf anderen Bildern aber dunkelfarbig, braun oder
blau; Kostüm, Haltung und Schmuck der Figur, ja sogar die Form seines Donnerkeils
geben eine Menge von Varianten, auf die ich hier nicht eingehen kann. Es erklärt
sich dies daraus, daß Vajrapäni der Sahaja Buddhas ist, also ein Wesen, das mit ihm
gleichzeitig geboren den intimsten Anteil am Wirken des Buddha nimmt, so sehr, daß
es in seinem Äußeren den Reflex des Inhalts von Buddhas jeweiliger Predigt gibt. So
') Vgl. zur Sache J. Ph. Vogel, Etudes de Sculpture Bouddhique IV, Le Vajrapäni Greco-
Bouddhique, Bulletin de l’Ecole Fran^aise d’Extreme Orient IX, 1909; Hanoi S. 15 ff.
 
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