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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0129
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EIN POKALENTWURF VON HANS HOLBEIN VON PETER JESSEN

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EIN POKALENTWURF VON HANS HOLBEIN
VON PETER JESSEN
Die Bibliothek des Kunstgewerbe-Museums hat vor einer Reihe von Jahren auf
der Versteigerung einer Pariser Sammlung eine Zeichnung erworben, die dort als fran-
zösische Arbeit galt und unter dem Namen des Etienne Delaune geführt wurde. Wir
kauften sie als ein Werk von deutscher Hand. Jetzt erlaubt die vom Deutschen Verein
für Kunstwissenschaft unter Leitung von Wilhelm von Bode ins Leben gerufene ge-
treue Veröffentlichung der Handzeichnungen Hans Holbeins d.j'., herausgegeben von Paul
Ganz, das Blatt als ein ungewöhnliches Stück dem großen Meister zurückzugeben. Es
ist auf der beifolgenden Tafel durch die Güte der Reichsdruckerei in der Größe und
den Farbtönen des Originals nachgebildet. Auf vergilbtem Papier steht die Zeichnung
in beweglichem braunen Federstrich, die gliedernden Wagrechten am Lineal gezogen.
Das Relief ist mit dem Pinsel durch blaugraue Tusche modelliert; nur in einigen Tiefen
sind Federstrichlagen zur Andeutung von Reflexen verwendet. Über einzelnen Teilen
des Gefäßes, besonders den schmalen Horizontalgliedern, liegt ein zarter hellgelber Ton,
um die Vergoldung anzuzeigen. Das Papier ist an den oberen Ecken ergänzt; der
Zeichnung fehlt die äußerste Spitze des Deckelrandes zur Rechten. Auf dem ursprüng-
lichen Papier ist kein Wasserzeichen.
Unsere Vorstellung von Holbein als Gefäßzeichner pflegen wir uns nach den
Entwürfen zu bilden, die er in England für Hof und Gesellschaft geschaffen hat. Sie
sind bekanntlich teils im Original in Basel und London erhalten, teils in den Ra-
dierungen Wenzel Hollars nach dem damaligen Besitz des Earl of Arundel. Dieser
Vorstellung entspricht unser Blatt nicht ohne weiteres.
Auf seinen Reisen nach England, vermutlich in Lyon und bei der Künstlerkolonie
König Franz’ I. in Fontainebleau, hat Holbein die neuen Ziermotive kennen gelernt,
die bald die Formensprache der Frührenaissance ablösen sollten, das Rollwerk und die
Maureske. Von beiden macht er in den englischen Entwürfen ergiebigen Gebrauch.
Während die Maureske ganze Flächen überspinnt, treten Volutenbügel und geschlitzte
Schildränder als tektonische Glieder oder Füllungsmotive zwischen die älteren Formen.
Mit diesen Neuerungen ist Holbein den Landsleuten daheim um fast ein Jahrzehnt vor-
aus; sie gelten deshalb mit Recht als das besondere Kennzeichen seiner Gefäße. Unser
Blatt zeigt von beiden noch keine Spur. Noch herrscht neben dem Leitmotiv der
Komposition, den Widderköpfen, die vollgeschweifte Ranke mit schlankem Akanthus
und den dreiteiligen Blättchen der Frührenaissance. Auf dem Kelch zwischen den
Windungen der Ranke ein Satyrweibchen und zwei Satyrn in lebhafter Bewegung;
ein dritter oben als Deckelknauf. Satyrfiguren und Widderköpfe sind Lieblingsmotive
in Holbeins Ornamentik. Die Satyrn früh auf Scheibenrissen (Heilige Katharina,
Ganz XIII, 4; Kreuznagelung, XIII, 6) und auf Titelrahmen von 1520 und 1523 (Heitz,
 
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