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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0233
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VON EDUARD SELER

199

BEMERKUNGEN ÜBER DIE TECHNIK DES GEWEBES
VON MAX SCHMIDT
Die Art der Technik des vorliegenden Gewebes kommt bei den bisher bekannt
gewordenen Erzeugnissen altperuanischer Textilindustrie nur äußerst selten vor. Uhle
hat bei seiner Besprechung der alten JVözca-Periode zum ersten Male auf diese besondere
Technik, welche er für die älteste Mzzcrz-Periode für typisch hielt, hingewiesen1) und
ein Schema von dem Verlauf der einzelnen Fäden wiedergegeben2). Mit Recht hebt
er hervor, daß es sich bei dieser Technik um ein einfaches Grundgewebe mit einer be-
sonderen Stickerei aus bunten Fäden darüber handelt. Absolut unverständlich aber bleibt
es, wie Uhle dazu kommt, diese Technik mit der von Mason als wrapped weaving be-
zeichnete Geflechtstechnik zu vergleichen und auf eine Übereinstimmung mit der Textil-
technik der Moundbuilders in Nordamerika hinzuweisen. Einmal ist es überhaupt un-
möglich, zwischen dem Verlauf der Fäden einer Stickerei und dem Verlauf der Streifen
eines Geflechts einen Vergleich zu ziehen, da bei beiden der endgültige Verlauf der
Fäden bzw. Streifen auf ganz verschiedene Weise zustande gekommen ist. Sodann aber
stimmt auch keineswegs die äußere Struktur irgendwie überein, wie am einfachsten ein
Blick auf das bei Mason abgebildete Schema der Wrapped-weaving-Technik zeigt. Beide
Arten der Technik haben absolut nichts miteinander gemeinsam.
Wie selten die unserem Gewebe zugrunde liegende Technik ist, geht schon daraus
hervor, daß in der großen Sammlung der /ca-Mzzca-Gewebe, welche das Berliner Mu-
seum für Völkerkunde aufzuweisen hat, nicht ein Exemplar vorhanden ist, das in über-
einstimmender Weise hergestellt wäre. Das einzige mir bekannt gewordene Stück ist
eine kleine gewebte Randborte, welche sich im Privatbesitze des Geheimen Medizinal-
rats Dr. Gaffron befindet. Aber wir besitzen in der altperuanischen Gewebesammlung
des Berliner Museums ein kleines Gewebe aus Pachacamac, das auf straminartigem Unter-
gründe genau dieselbe Stickereitechnik aufweist wie unser Nazca-Gewebe, im Stil der
Darstellung aber von diesem abweicht.
Der Untergrund unseres Nazca-Gewebes ist ein 252X101 cm großes, aus einem
Stück gearbeitetes Gewebe mit einfacher Leinwandbindung. Die Art der Aufspannung
der Kettenfäden ist die beim wagerechten Webstuhle übliche und weicht von der Auf-
spannung der Kettenfäden bei den Geweben im sogenannten Tiahuanacostil ab. Die
längste Seite des Gewebes entspricht der Richtung der Kettenfäden, die kleinere Seite
der Richtung des Einschlages. Die Struktur des Gewebes ist sehr locker, so daß sowohl
die einzelnen Kettenfäden als auch die einzelnen Einschlagfäden in kleinen Abständen
voneinander liegen und somit einen straminartigen, für eine feine Stickerei geeigneten
Untergrund abgeben. Auf 1 qcm dieses Untergrundes kommen etwa 11—12 Ketten-
fäden und ebensoviele Einschlagfäden.
Die Art der Stickerei, durch welche die einzelnen bunten Flächen der figürlichen Dar-
stellung hergestellt sind, wird am besten aus den beiden Schemata in Abb. 18 und 19 ver-
ständlich. Der Verlauf der einzelnen Stickereifäden entspricht dem Schema, welches Uhle
von der Technik eines auch der Darstellungsweise nach mit dem unsrigen verwandten
Gewebes gibt. Charakteristisch für die äußere Struktur der Stickerei ist zunächst, daß die

J) Uhle in der Revista Chilena de Historia y Geograf ia 1912; in der Besprechung des
Buches von Thomas A. Joyce, South American Archaeology S. 414/415.
2) Ebenda Abb. 2 (vgl. oben Abb. 13).
 
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