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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0121
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EINE ÜBERSEHENE DÜRER-ZEICHNUNG VON MAX J. FRIEDLÄNDER

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EINE ÜBERSEHENE DÜRER-ZEICHNUNG IM BERLINER
KUPFERSTICHKABINETT
VON MAX J. FRIEDLÄNDER
Die in Lichtdruck wiedergegebene Zeichnung befindet sich seit langer Zeit im
Berliner Kupferstichkabinett, wohin sie mit der Naglerschen Sammlung gelangt ist.
Beachtung aber hat sie sonderbarerweise, soweit ich sehe, nie gefunden. Lippmann
hat sie in sein Dürer-Werk nicht aufgenommen. Nur in Hellers Dürer-Buch (II S. 121)
ist sie erwähnt, und zwar bei den Zeichnungen, die Joseph von Grünling in Wien
besaß. Dort ist zu lesen:
3) Salomons Urteil; oben mit Dürers Zeichen, und auf dem oberen Gesimse
des Saales steht: NEC • MICHI • NEC • TIBI • SED • DIVI • ') DATVR.
Federzeichnung. Höhe 10 Z. 5 L. Br. 8 Z.
Grünlings bekannter Stempel ist auf der jetzt unter Nr. 1286 katalogisierten
Zeichnung links unten sichtbar. Die Herkunft aus dieser Sammlung weckt günstige
Vorurteile. Grünling besaß, nach Hellers Notiz, nicht weniger als 55 Dürer-Zeichnungen,
dabei viele hervorragende Stücke. Ein erheblicher Teil davon — 33 Blätter — ist mit
der Klugkistschen Sammlung in die Bremer Kunsthalle gekommen. Grünlings Besitz
stammt mindestens teilweise aus dem großen Sammelbecken Dürerscher Kunst, dem
kaiserlich habsburgischen Schatz. Als der bekannte Tausch zwischen der kaiserlichen
Bibliothek und dem Herzog Albert von Sachsen-Teschen 1796 abgeschlossen wurde,
kamen etwa 150 Dürer-Zeichnungen in die Albertina. Der Bestand in der Hofbibliothek
war aber weit größer. Mehr als 200 Dürer-Zeichnungen scheinen damals in Privatbesitz
gekommen zu sein. Im einzelnen ist der sonderbare Vorgang nicht zu verfolgen.
Gewiß ist, daß viele Stücke in die Hände des Grafen Andreossy gelangten. Grünling
war mit dem Inspektor der Albertina Franz Lefevre befreundet. Vielleicht erlangte er
seine Portion auf der Brücke dieser Freundschaft.
Nach einer Notiz auf der Rückseite hätte Grünling unser Blatt aus der Birkenstock-
Sammlung erworben. Birkenstock, dessen Besitz 1811 versteigert wurde, mag auch
bei der geheimnisvollen Aufteilung der kaiserlichen Bestände profitiert haben.
Ein Wasserzeichen enthält das Papier nicht. Meine Überzeugung, daß das Blatt
von Dürer herrühre, fußt weniger auf Stilanalyse als auf Prüfung der Signatur.
Das Monogramm ist ersichtlich von derselben Hand wie die Zeichnung in derselben
Farbe mit derselben Feder frei und leicht gezogen. Und da Fälschung des Ganzen
nicht in Frage kommt, schon deshalb nicht, weil die Arbeit gar nicht »dürerisch«

*) Der sinnwidrige Trennungspunkt ist wirklich da.

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