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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0213
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EIN ALTPERUANISCHES BESTICKTES GEWEBE VON EDUARD SELER

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EIN ALTPERUANISCHES BESTICKTES GEWEBE
VON EDUARD SELER
Die Küste von Peru war in vorspanischer Zeit, von den Tälern im Süden der
großen Wüste Sechura südwärts bis über die nördlichen Grenzgebiete des Departements
Arequipa hinaus, in einer Erstreckung von über 150 geographischen Meilen von einer
im großen und ganzen einheitlichen Bevölkerung bewohnt, die sich durch brachykephale
Schädel, mittlere Leibesgröße und die Sitte auszeichnete, Stirn und Hinterkopf der Neu-
geborenen durch Umwicklung mit Binden künstlich abzuflachen — in eben diesen
Beziehungen von ihren östlichen Nachbarn, den Bewohnern der westlichen Kordilleren-
hänge, sich scharf unterscheidend, die von dolichokephalem Schädeltypus waren und
die künstliche Deformation des Schädels nicht kannten ')■
Diese Küstenvölker befuhren das Meer mit Flößen, dem Fischfänge und dem
Handel nachgehend, und beackerten die Flächen, die von den von den Bergen herab-
strömenden Flüssen aus bewässert werden konnten. Denn Regen erhält diese Küste
nur hier und da einmal nach zehn, zwölf oder mehr Jahren vollständiger Regenlosig-
keit. Am Rande dieser Flußtäler, die durch weite wüste, sandige und felsige Strecken
getrennt waren, drängte sich die Bevölkerung zusammen. Sie lebten dort in Städten,
deren Mauern und Innenquartiere aus Lehmziegeln oder großen Lehmklötzen erbaut
waren, und die Hofräume und komplizierte Wohnanlagen umschlossen. Die Wände
dieser Räume verstanden sie mit kunstvoll aus Lehm geschnittenen und farbig bemalten
Teppichmustern zu verzieren.
Handwerk und Kunstgewerbe hatten bei diesen Stämmen eine bemerkenswerte
Höhe erreicht. Namentlich die Töpferei und die Webekunst lieferten Erzeugnisse, die,
was technische Vollendung, Farbenpracht und künstlerischen Geschmack betrifft, mit
den besten altweltlichen Fabrikaten wetteifern können. Und dank der Regenlosigkeit
dieser Küste haben sich in den Gräbern, als Besitz des Toten, nicht nur die Erzeugnisse
der Töpferei, sondern auch die aus Metall gearbeiteten und die aus Holz und Knochen
geschnitzten Gegenstände und die Gewebe in ihrer vollen Pracht erhalten.
Bei der großen räumlichen Erstreckung der in Rede stehenden Gebiete und ihrer
Zerspaltung in gesonderte Herrschafts- und Kulturzentren, und da wir zweifellos auch
mit lang andauernder Besiedelung an den verschiedenen Stellen rechnen müssen, ist
es nicht weiter wunderbar, daß, trotz einer nicht zu verkennenden Gleichartigkeit in
den großen Zügen, doch in Stil und Geschmack und in technischen Eigenheiten starke
Verschiedenheiten uns entgegentreten.
’) Ales Hrdlicka, Anthropological Work in Peru in 1913 (Smithsonian Miscellaneous
Collections Vol. 61, Number 18). Washington 1914.
 
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