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Bode, Wilhelm [Gefeierte Pers.]
Forschungen aus den königlichen Museen zu Berlin: Wilhelm von Bode zum 70. Geburtstag — Berlin, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.45264#0088
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ZWEI TAFELBILDER DES DUCENTO IM KAISER-FRIEDRICH-MUSEUM

ZWEI TAFELBILDER DES DUCENTO IM KAISER-FRIEDRICH-MUSEUM
VON OSKAR WULFF
Für die Anfänge der Tafelmalerei in Italien steht der Forschung ein reicherer
Denkmälerbestand zur Verfügung als in den Ländern diesseits der Alpen. Er ist von
der Wissenschaft noch keineswegs nach seiner vollen Bedeutung ausgeschöpft. In
einer Zeit beginnender nationaler Stilbildung, wie es das Ducento ist, kann daher
manches erhaltene und noch nicht verwertete Werk zum Verständnis der Entwicklung
gute Dienste leisten. Auf zwei solche Tafeln, die sich im Kaiser-Friedrich-Museum
befinden, wurde meine Aufmerksamkeit bei Gelegenheit der von mir im vorigen
Wintersemester abgehaltenen akademischen Übungen hingelenkt, zumal sich mir in der
zweiten ein wichtiges Belegstück für meine vor mehr als zehn Jahren gewonnenen
Ergebnisse über die einschlägigen Fragen (Anm. I)1) zu bieten schien. Innerhalb der
ducentistischen Kunstentwicklung aber vertritt jedes von beiden Bildern sozusagen
einen ihrer Gegenpole. Die Betrachtung der italienischen Tafelmalerei pflegt man bis
heute mit der Maniera greca zu beginnen, mit der noch die ersten großen Namen
eines Cimabue und selbst eines Duccio verknüpft werden, wie schon Vasari tat. Die
neuere Forschung hat die Vorstufen des trecentistischen Stils bereits schärfer unter-
schieden, als er es vermochte, und eine von der byzantinisierenden Richtung mehr
oder weniger unabhängige nationale Unterströmung festgestellt (Anm. 2). In der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts kommt dann der gotische Einfluß, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt
anschwellend, hinzu. Der Wandlung, welche der malerische Stil dadurch erfährt,
waren meine früheren Untersuchungen gewidmet und soll zum Teil auch die heutige
Betrachtung gelten, in ihrem ersten Teil aber der Klärung des Anteils der Maniera
greca an der vorhergehenden Entwicklung.
Schon in der ersten Hälfte des Ducento, genauer wohl im zweiten Viertel des-
selben, trifft Italien eine neue Welle des durch das ganze Mittelalter fortwirkenden
Einflusses der byzantinischen Kunst. Die daraus entspringende Kunstrichtung, auf
die in der Kunstgeschichte die Bezeichnung der Maniera greca ausschließlich bezogen
wird, ist in der Malerei die Trägerin neuer ikonographischer Typen der repräsentativen
Darstellung Christi und der Gottesmutter. An die Stelle des »triumphierenden Christus«
der großen Lettnerkruzifixe, der noch bis tief in das Ducento hinein in gerader Körper-
haltung mit offenen Augen wiedergegeben wurde (Anm. 3), setzt sie den leidenden
der griechischen Kunst mit geschlossenen Augen und geschwungener Körperhaltung,
wie er im Laufe des XI./XII. Jahrhunderts in Byzanz allmählich aus dem ersten Typus
entstanden war (Anm. 4). Die maßvolle Auffassung der ältesten, mit Giunta Pisanos

') Die Anmerkungen befinden sich am Schluß des Aufsatzes.
 
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