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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0023

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I. Die Sage und die ältesten Künstlergruppen Iiis gegen Ol. 60.

1!»

Massen, namentlich Thon, erfunden haben. Plinius *) und ähnlich Athenagoras 2) 24
geben uns davon folgende märchenhafte Erzählung: Die Tochter des Dibutades 3)
wünscht das Bild ihres verreisenden Geliebten in seiner Abwesenheit zu be-
wahren. Sie macht daher beim Scheine der Lampe einen Schattenriss des Ge-
sichtes an der Wand. Diesen füllt der Vater wegen der unverkennbaren Aelm-
lichkeit mit Thon aus und bildet so das erste Relief, das er mit den übrigen
Töpferwaaren im Ofen brennt. Dieses Portrait soll sich im Nymphaeon zu Ko-
rinth bis zur Zerstörung durch Mummius erhalten haben. Weiter erzählt Plinius:
!-Es ist eine Erfindung des Dibutades, Röthel (zum Thon) hinzuzuthun oder
aus rother Thonerde zu bilden.4) Auch setzte er zuerst Masken (personas) auf
die äussersten Hohlziegel der Dächer, und nannte dies anfänglich Prostypa,
Bas-reliefs. Nachher machte er auch Ectypa, Haut-reliefs. Daraus sind auch
die Tempelgiebel entstanden; und ihretwegen (der Plastik wegen) heissen die
in ihr thätigen Künstler ..Plasten".

Unter diesen Nachrichten mag allerdings die Erzählung von dem ersten
Portrait erst aus dem wirklich vorhandenen Werke entstanden sein. Dagegen
liegt in dem Namen des Dibutades selbst durchaus keine Veranlassung, ihn für
mythisch oder erfunden zu halten. Freilich vermögen wir eben so wenig ihn
auf einen festen Zeitpunkt zurückzuführen. Die historische Sage musste ihm
vor Vertreibung der Bacchiaden aus Korinth, Ol. 29, seinen Platz anweisen,
indem damals durch die Begleiter des Demaratos, Eucheir und Eugrammos,
die Plastik nach Italien gebracht sein soll5); und diese Zeitbestimmung mag
auch unangefochten bleiben. — Eben so schwer ist es aber ferner, zu unter-
scheiden, ob sich die übrigen Nachrichten überall auf die erste Erfindung oder
deren weitere Vervollkommnungen beziehen. In einem Punkte erhält Plinius
eine Bestätigung durch Pindar, indem auch dieser'■) den Korinthern die Er-
findung des Giebels beilegt"). Für die Künstlergeschichte ist zunächst die
Thatsache von Bedeutung, dass die Thonbildnerei, die Mutter der Erzbildnerei,
in alter Zeit zu Korinth und auch wohl in Sikyon, der Vaterstadt des Dibutades, 25
durch ihn sich zu selbstständiger Anerkennung emporarbeitete.

Um nun zur eigentlichen Geschichte der Künstler zu gelangen, sind wir
f?enöthigt, einen Sprung bis in die vorgerückte historische Zeit, bis gegen das
Jahr 600 v. Chr., die 40—50ste Olympiade, zu wagen: einen Sprung, vor dem
die meisten neueren Forscher so zurückgeschreckt sind, dass sie alles auf-
geboten haben, die ältesten Künstlerfamilien mindestens bis zum Anfange der
Olympiaden hinauf zu rücken. Während die Unzulänglichkeit dieser Annahme
erst durch eine Reihe einzelner Untersuchungen später bewiesen werden soll,

1) 35, 151. -J leg. pr. Chr. 14. p. 59. 3) Athenagoras macht aus xünij, Mädchen,
einen Eigennamen, und Walz (Philolog. I, S. 550) will Kore als solchen gelten lassen.
) ex rubra creta cod. Hamb.; vgl. Isidor, orig. XX. 4. 3. fl) Plin. 1. 1. Ueber sie ist
erst bei den Anfingen der Kunst in Italien zu handeln. 6) Ol. XIII, 21. ') Vgl.
welcker alte Denkm. I, S. 3 und 11.
 
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