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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0098

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Die Bildhauer.

Göttlichen. dem Charakter der letzteren entspreche dagegen die minder hohe
Sphäre des Menschlichen. — Darin also stimmen Dionys und Lucian vollkommen
überein, dass sie die Eigentümlichkeit des Kaiamis nicht in einem hohen
Schöpfungsvermögen erblicken, welches gewagt hätte, die höchsten, sowohl
physischen als geistigen Kräfte durch die freieste Gestaltung aller Formen zur
Darstellung zu bringen, und in solchen freien Bildungen die höchste Aufgal>e
der Kunst zu erkennen. Was an ihm in verschiedener Weise als Vorzug an-
erkannt wird, deutet vielmehr auf eine vorwiegende Thätigkeit der Empfindung
und des Gefühls, welche durch sinnige Beobachtung dem Leben diejenigen Züge
und Bewegungen abzulauschen sucht, in denen der individuelle Ausdruck am
132 bedeutsamsten zur Erscheinung kommt. Eine gewisse Strenge und Härte ver-
trägt sich mit jener Züchtigkeit und Wohlanständigkeit, mit jener Zierlichkeit
und zarten Grazie sehr wohl; ja sie ist fast nothwendig, indem das Wesen
aller dieser Eigenschaften in einer Bewahrung bestimmter Schranken, seihst in
einem Verschmähen derjenigen Freiheit beruht, deren Gebrauch zwar durch die
Sitte erlaubt, aber darum noch nicht überall empfehlenswerth ist. Wollen wir
hiernach die Bedeutung des Kaiamis für die Entwicklung der Kunst in kurzen
Worten zusammenfassen, so dürfen wir nicht sagen. dass er durch ein tiefes
Eindringen in die Gesetze künstlerischer Gestaltung eine in ihren Ausgangs-
punkten wesentlich neue Bahn eingeschlagen habe. Die Grundlagen sind viel-
mehr bei ihm in der Hauptsache die der vorhergehenden Epoche: aber indem
er sich der Beobachtung der natürlichen Erscheinung der Dinge mit völliger
Liebe hingiebt und alle einzelnen, feinen Züge nachzuempfinden und nachzu-
fühlen bestrebt ist. erfüllt er die früher starren und kalten Formen mit einem
grösseren Reichthum inneren Lebens und bereitet dadurch zugleich eine gänz-
liche Umbildung dieser Formen selbst vor.

Pythagoras.

Pythagoras aus Rhegion wird von Pausaniasl) Schüler des Rheginers
Klearch genannt; dieser hatte bei Eucheiros von Korinth, Eucheiros bei den
Spartiaten Syadras und Chartras gelernt. Die Fragen, welche sich an die Namen
dieser Künstler knüpfen, sind schon früher erörtert worden. Sie hier noch weiter
zu verfolgen, ist unnöthig, da wir ausser Stande sind, zu bestimmen, worin die
Eigentümlichkeit dieser Schule lag.

Pythagoras muss schon um die Mitte der siebziger Olympiaden thälig
gewesen sein. Denn er verfertigte die Statue des Krotoniaten Astylos, der zu
Olympia dreimal, im Laufe und Doppellaufe in drei auf einander folgenden
Olympiaden: 73, 74, 75, siegte-). Da er sich aber dem Hieron zu Liebe zum
zweiten und dritten Male als Syrakusaner ausrufen Hess, so straften ihn die
Krotoniaten dadurch, dass sie sein Haus zum Gefängniss machten und seine Statue
aus dem Tempel der Hera Lakinia entfernten. Wäre diese letztere ein Werk

gänzlich unbekannten KaXtt'is Kaitcuts zu schreiben ist. sofern nicht der Irrthum schon
von Gregor herrührt, der in dieser Stelle hinsichtlich der Künstler überhaupt sich schlecht
unterrichtet zeigt.

!) VI. 4. 4. 2) Paus. VI, 13. 1.
 
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