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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0215

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III. Die griechische Kunst in ihrer höchsten geistigen Entwickelung.

211

älteren sikyonischen Schule des Aristokles. Dagegen sind die alten Kunst-
schulen von Samos, Chios, Aegina. Korinth. Lakedaemon, wenn wir von dem
wenig bekannten Philotimos aus Aegina und von Gorgias aus Lakedaemon
ansehen. gänzlicn vom Schauplatze verschwunden. In Theben linden wir aller-
dings eine Reihe von Künstlern, aber keinen von solcher Bedeutung, dass er.
■wie der gleichzeitige Maler Aristides aus dieser Stadt, eine Schule von eigen-
tümlicher Richtung begründet oder einen bedeutenden Einfluss auf andere
Orte geübt hätte; vielmehr scheinen sich die beiden tüchtigsten, Hypatodoros
und Aristogeiton, dem einen der grossen Mittelpunkte, der argivischen Kunst,
genähert zu haben. Das Wirken des Pythagoras lässt sich nur in einem einzigen
Schüler, seinem Neffen Sostratos. verfolgen. Die wenigen Künstler, welche
ausserdem noch genannt werden, stehen durchaus vereinzelt. Fragen wir daher
nach der Entwickelung der Kunst in dieser Periode, so haben wir es nur mit
der Kunst von Athen und Argos zu thun. Wir betrachten daher zuerst jeden
dieser Orte für sich, gehen sodann zu einer Vergleichung beider unter einander
über, und suchen zum Schlüsse nachzuweisen, aus welchen Gründen gegen
das Ende dieser Periode ein Stillstand eintritt, und erst nach diesem eine
Entwickelung von ganz neuen Ausgangspunkten aus beginnt.

Athen. Wo ein gewaltiger Geist eine neue Bahn gebrochen hat, da 301
Verden wir fast immer der Erscheinung begegnen, dass die jüngeren Zeitgenossen
Und nächsten Nachfolger in diese Bahn hineingezogen werden, dem bewälti-
genden Einflüsse des grossen Vorbildes sich nicht zu entziehen vermögen. Attika
hatte am Anfange dieser Periode fast gleichzeitig zwei Geister erzeugt, welche
einer und derselben Kunst nach zwei verschiedenen Richtungen bin durchaus
neue Grundlagen gaben: Phidias und Myron. Vorwurf der Kunst bei dem
einen war das höchste geistige, bei dem anderen das höchste körperliche Leben.
Aber obwohl sonach ihre Bestrebungen auf zwei verschiedene Punkte gerichtet
waren, so hatten doch Beide wieder das miteinander gemeinsam, dass sie durch-
aus nach Idealität strebten. Beide schaffen ihre Gestalten von innen heraus
nach einer Idee; die Formen des Körpers sind ihnen nur Träger derselben.
Aeusseren Reiz und Anmuth als für sich bestehende Vorzüge kennen sie nicht:
die Schönheit, nach welcher sie allein streben, ist durch das Wesen jener Idee
Eftreng begrenzt und bedingt. In derselben Richtung aber bewegt sich die
gesammte attische Kunst dieser Periode; und alle Eigenthümlichkeiten, welche
Uns von den einzelnen Künstlern in derselben gemeldet werden, zeigen sich
fast nur als Ausflüsse jener beiden Anfangspunkte, von denen meist einer allein,
zuweilen auch beide zugleich auf den einzelnen Künstler einwirkten. Bestre-
bungen , wie wir sie z. B. bei Kallimachos gefunden haben, können in ihrer
Vereinzelung diesen allgemeinen Satz eher bestätigen, als umstossen. Am
deutlicl isten zeigt sich der Eintluss des Phidias: Alkamenes, Agorakritos, Kolotes,
Theokosmos, Paeonios stehen in den engsten Beziehungen zu ihm; sie sind
seine Gehülfen bei seinen ausgedehnten Arbeiten; und wiederum werden sie
bei ihren eigenen Schöpfungen von ihm mit Rath und That in einer Weise
Unterstützt, dass die Nachwelt über die Urfieber einzelner Werke zweifelhaft
werden konnte. Noch nach der hundertsten Olympiade scheint sich dieser
Einfluss selbst über die Grenzen Attikas erstreckt zu haben: Damophon aus
 
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