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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0216

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212

Die Bildhauer.

Messene schliesst sich der attischen Schule, sowohl in Betreff der ausschliess-
lichen Behandlung religiöser Gegenstände, als hinsichtlich der Technik an: er
giebt dem Marmor, welcher seit den umfangreichen Tempelsculpturen in Attis»
302 immer mehr in Aufnahme kam, den Vorzug vor dem Erze; er arbeitet selbst
in attischem Marmor; seine Kenntniss der Sculptur in C4old und Elfenbein,
welche er durch die Bestauration des Zeusbildes zu Olympia bethätigt, erklärt
sich am einfachsten aus dem Zusammenhange mit der Schule des Phidias.
Als Schüler des Myron wird ausdrücklich zwar nur ein einziger Künstler, sein
Sohn Lykios, angeführt. Aber zu dessen Knaben, welcher Feuer anbläst,
liefert Styppax. man möchte sagen, ein Seitenstück durch den Splanchnoptes.
Eben so wenig Hess sich in manchen Werken des Kresilas und Strongylion
die Verwandtschaft mit Myron verkennen. Selbst die Kunst eines Demetrios
scheint demselben nicht fremd, wenn sie auch in ihrer besonderen Ausbildung'
in den vollständigsten Naturalismus umschlug. Dass dies in einem einzelnen
Falle geschah, konnte uns nicht Wunder nehmen; aber eben so wenig kann
es uns auffallen, dass dieser Künstler zunächst ganz vereinsamt blieb: es ist
dieses nur ein Zeugniss mehr für die Behauptung, dass in der ganzen attischen
Kunst dieser Periode der Idealismus unbedingt herrschte.

Die beiden Bichtungen innerhalb desselben scheiden sich im Ganzen sehr
scharf. Die Schüler des Phidias bilden Götter oder schmücken deren Tempel
Die Ideale des Zeus und der Athene namentlich waren von Phidias für immer
festgestellt. Wem dieses Verdienst im Besonderen bei den anderen Götter-
gestalten beizulegen ist, vermögen wir aus unseren unzureichenden Quellen
nur selten nachzuweisen. Nur darüber belehrt uns auch eine flüchtige Betrach-
tung, dass die Auffassung überall eine ernste und strenge war. Die Ideale der
nackten Aphrodite, des jugendlich weichen Dionysos u. A., von denen unzählige
Wiederholungen auf uns gekommen sind, gehören erst der folgenden Periode
an. Noch weniger finden wir die untergeordneten Wesen aus der Begleitung
der grösseren Götter jetzt schon in selbständiger Bedeutung von der Kunst
gebildet. Sie erscheinen ihrem Wesen gemäss auch in der Kunst noch unter-
geordnet, so namentlich in Tempelgiebeln. Dasselbe gilt von der Heroenbildung,
und in noch höherem Grade von der Darstellung wirklicher Menschen. Schon
bei Phidias ist sie nur eine Ausnahme: unter den Werken seiner Schüler finden
wir eine einzige Athletenfigur, den Enkrinomenos des Alkamenes. — Zeigt sich
808 demnach die Kunst der Schüler des Phidias in dem Kreise ihrer Wirksamkeit
im engsten Sinne als die Fortsetzung der Kunst des Lehrers, so dürfen wir
dasselbe gewiss auch in Hinsicht auf formelle und technische Behandlung
voraussetzen. Und in der That, wie wir bei Phidias nur wenig über Vorzüge
der Form als ein besonderes Verdienst zu sprechen Veranlassung hatten, weil
dieselbe überall mit der geistigen Idee im engsten Zusammenhange stand, so
haben wir auch bei der Betrachtung seiner Schüler nur einmal der plastischen
Rhythmik als einer Eigenschaft der Werke des Alkamenes Erwähnung gethan.
Auch in der Technik ist die Schule so vielseitig, als der Meister: neben der
Bronze gewinnt der Marmor grössere Bedeutung, und Werke aus Gold und
Elfenbein sind, wenn auch nicht ausschliesslich, doch vorzugsweise dieser
Schule eigenthümlich.
 
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