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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0225

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IV. Die griechische Kunst in ihrem Streben nach äusserer Wahrheit.

221

thätig vor allen, in jeder Art ausgezeichnet und von einem sich gleich bleiben-
den Verd ienste", wie Plinius1) sagt; Quintilian2) vergleicht ihn eben wegen
dieser Vielseitigkeit mit Cicero als einer analogen Erscheinung auf dem Gebiete 315
der Literat ur.

Statuarische Werke des Euphranor lernen wir fast ausschliesslich aus der
folgenden Stelle des Plinius kennen 34, 77: „Von Euphranor ist zu nennen
Alexander Paris, an welchem man lobt, dass sich in ihm alles zugleich
erkennen lasse, der Schiedsrichter der Göttinnen, der Liebhaber der Helena,
Und doch auch wieder der Mörder des Achill. Von ihm ist ferner eine Minerva
10 Rom, welche den Beinamen Catulina hat, weil sie von Q. Lutatius Gatulus
Unterhalb des Gapitols geweiht ist; sodann das Bild des Bonus eventus,
Welches in der Rechten eine Schaale, in der Linken eine Aehre und Mohn hält;
ebenso Lato na nach der Geburt, mit ihren Kindern Apollo und Diana
auf dem Arme, im Tempel der Concordia. Er machte auch Vier- und Zwei-
gespanne und eine Tempelscbliesserin (cliduchon) von vorzüglicher Gestalt,
eine Virtus und Graecia s), beide kolossal; eine bewundernde und anbetende
^rau; ferner Alexander und Philipp auf Viergespannen." Ausser diesen
Werken erwähnt Pausanias I, 3, 4 eine Statue des Apollo Patroos im
Kerameikos zu Athen, und Dio Chrysostomus (or. 37, p. 466 G) einen Hephae-
stos, welcher sich durch den gelungenen Ausdruck des Hinkens auszeichnete,
wie ein ähnliches Verdienst an einem Bilde dieses Gottes von Alkamenes schon
früher erwähnt wurde 4).

Euphranor war in der Malerei aus der Schule des Aristides hervorge-
gangen, eines Künstlers, der in der Darstellung von Stimmungen des Gemüthes
Und Gefühles von den zartesten Regungen bis zu hohem pathetischen Affect
Meister war. Da aber die ganze Richtuni;' dieses Künstlers besonders auf einer
Vorn feinsten Sinne geleiteten Beobachtung der Natur beruhte, so lag in ihr 316
bereits der Keim zu einer naturalistischen Auffassung überhaupt, indem das
Vorübergehende und mehr Zufällige der äusseren Erscheinung, welches zunächst
Zum Zwecke der Darstellung eines mehr geistigen Ausdrucks Berücksichtigung
erfuhr, nach und nach auch auf die rein körperliche Seite der Darstellung
grösseren Einfluss gewann. Die Wirkung der Schule des Aristides, namentlich
aber die Hinneigung zum Naturalismus, lässt sich in den Malereien des Eu-
phranor mit hinreichender Sicherheit nachweisen. Erstreckte sich aber die An-
wendung derselben Principien auch auf die plastischen Werke, so musste dies
zu einer Behandlungsweise führen, welche von derjenigen der früheren Zeit in
wesentlichen Punkten sehr verschieden war. Wir haben nemlich schon mehrere
Male darauf hingewiesen, wie die ganze Auffassungsweise des Phidias und

!) 35, 128. *) XII, 10, 12. 3) „Virtutem et Graeciam\ von Welcker (Schulzeit. 1831,
N. 84) gegen die Vulgate Virtutem egregiam vertheidigt. wird durch die Bamberger Hand-
Schrift bestätigt. ') Auch den Dionysos musste er gebildet haben, sofern eine auf dem
Aventin gefundene, aber jetzt verlorene Statue dieses Gottes auf ein Original des berühmten
Euphranor wegen ihrer Inschrift bezogen werden darf:

Fecerat Eufranor Bacchant quem Gallas hönorat,
fastoruin consul. carmine. ture. prece.
Dieser Gallas wird für den Consul des Jahres 298 n. (Jh. G. gehalten: D'Orville Sicula,
P- 595, n. 87. Raoul-Rochette Lettre ä Mr. Schorn, p. 309.
 
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