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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0302

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■JUS

Die Bildhauer.

umgestaltet hatten. Das perikleische Athen war durch den peloponnesischen
Krieg vernichtet. Zwar erhöh es sich etwas später nochmals zu einigem Glänze;
aher bald musste es wieder für die eigene Unabhängigkeit gegen die make-
donischen Eindringlinge kämpfen und unterlag zum zweiten Male. Solche
Zeiten sind grossen künstlerischen Staatsunternehmungen durchaus ungünstig;
und wir wissen deshalb auch in dieser Periode von keinem öffentlichen Werke*
welches sich auch nur entfernt mit dem Parthenon, den Propylaeen, dem Erech-
theum vergleichen Hesse. Daraus erklärt es sich, dass Praxiteles, so wie Skopas,
der zwar Parier, aber auf dem Boden der attischen Kunst erwachsen ist, tül
Athen eine verhältnissmässig geringe Thätigkeit entwickelt, und nur an Werken
von nicht eben bedeutendem Umfange, an einzelnen Statuen oder Gruppen
von wenigen Figuren. Auch die Nächstberühmten, wie Bryaxis, Leochares,
sind gezwungen, ihren Ruhm meist ausserhalb Attika's zu suchen. Allerdings
füllt sich Athen auch in dieser Periode noch mit statuarischen Werken; aber
es ist nicht sowohl der Staat, als Privatleute, welche die Kunst beschützen:
denn der Reichthum Einzelner war noch keineswegs geschwunden, nur die
Kräfte des Staats waren für andere nolhwendigere Zwecke in Anspruch ge-
nommen. So arbeiten Künstler von bedeutendem Rufe, wie Sthennis und Leo-
chares, eine Reihe von fünf bis sechs Bildern für eine Familie, deren Name
uns sonst weiter gar nicht bekannt ist. Während dagegen frühere Staatsmänner,
wie Kimon und Perikles, die berühmtesten Künstler in unausgesetzter Thätig-
keit erhielten, um Athen mit den grossartigsten Werken zu schmücken, be-
schäftigen manche ihrer Nachfolger die Kunst nur in so fern, als der Staat sie
wegen ihrer politischen Verdienste der Ehre einer Statue würdig erkennt. Unter-
nehmungen endlich, wie diejenige war, dem Demetrios Phalereus 3G0 Bildsäulen
zu errichten, sind für die Kunst nicht als ein Gewinn zu erachten; denn sie
vermögen wohl dem handwerksmässigen Betriebe, nicht aber der wahren Kunst
Vorschub zu leisten.

426 Einem solchen Wechsel der äusseren Verhältnisse war freilich die Schule

von Argos und Sikyon weniger unterworfen: sie war schon früher weniger für
einheimische öffentliche Unternehmungen, als für fremde Staaten und für Privat-
leute thätig gewesen, und dieses Verhältniss erhält sich zum Theil auch noch
in dieser Periode; denn für Argos und Sikyon seihst ist nur eine geringe Zahl
von Werken der dort einheimischen Schule bestimmt.

Dass nun die Kunst nicht nur sich zu erhalten vermochte, sondern sogar
glänzend gedieh, verdankt sie zwei Quellen, welche sich ihr jetzt neu erschlos-
sen. Athen, Olympia, Delphi. Argos hatten in der vorigen Epoche das Beispiel
gegeben, wie ein Staat oder ein anderes politisches oder religiöses Gemein-
wesen, vermittelst seiner Reichthümer durch die Kunst herrlichen Ruhm zu
gewinnen vermochte. Der Wetteifer ward rege, und, wo eine Blüthe der poli-
tischen Macht oder des Reichthums sich öffnet, da feiert auch sicher zugleich
die Kunst einen Triumph. Noch gegen das Ende der vorigen Periode erreicht
Thebens Macht ihren Höhepunkt, und alsbald finden wir dort eine Reihe ein-
heimischer Künstler, neben ihnen aber auch die bedeutendsten auswärtigen be-
schäftigt : Praxiteles schmückt einen Tempel mit den Thaten des Herakles;
einzelne Götterbilder liefert Skopas. Thespiae wird durch Werke des Praxiteles
 
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