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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0356

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Die Bildhauer.

Rückblick.

Ich habe den Rückblick auf die vorige Periode mit der Behauptung be-
schlossen , dass am Ende derselben die Entwickelung der griechischen Kunst-
geschichte an einem Wendepunkte angelangt gewesen sei, welcher nur dem
gewaltigen Umschwünge zur Zeit des Phidias an Bedeutung nachstehe. Nachdem
wir jetzt die Erscheinungen der zunächst folgenden Zeit im Einzelnen unter-
sucht haben, liegt es mir ob. jene Behauptung durch die allgemeinen Ergebnisse

504 derselben zu unterstützen. Freilich lässt sich nicht leugnen, dass uns nament-
lich bei einem Blicke auf die litterarischen Hülfsmittel, welche uns zur Be-
stimmung unseres Urtheils über die Künstler dieser Periode vorliegen, ein Ge-
fühl der Unsicherheit heschleichen muss: so dürftig sind sie im Vergleich zu
denen der früheren Zeit. Plinius sagt geradezu: „Nach der 121sten Olympiade
hörte die Kunst auf und gewann erst in der 156sten Olympiade neues Leben."
Dies ist nun freilich nicht streng richtig, selbst wenn wir es nur vom Erzguss
verstehen wollen, auf den es sich zunächst bezieht. Doch aber verlohnt es
sich, nach den Gründen zu fragen, welche Plinius zu einem solchen Ausspruche
veranlassen mochten. Sie sind, wie mir scheint, doppelter Art und eben so
wohl in der Geschichte der Litteratur, als der Kunst zu suchen. Was die
Griechen über Kunstwerke und Künstler geschrieben, fällt zum grössten Theile
gerade in den von Plinius angegebenen Zeitabschnitt; die Künstler selbst be-
theiligten sich mehrfach an dieser Art Schriftstellerei. Der Zeitgenossen wird
aber, wie noch heute in neueren Kunstgeschichten, auch damals kaum Er-
wähnung geschehen sein. Die 121ste Olympiade mochte von einem oder einigen
Schriftstellern aus einem uns nicht näher bekannten Grunde zum Schlusspunkte
gewählt worden sein. Dass Plinius dann in der lBGsten Ol. einen neuen An-
fangspunkt findet, hat seinen Grund in der Kunstschriftstellerei, die sich im
letzten Jahrhundert der Republik in Rom entwickelte. Denn diese Olympiade
bezeichnet in runder Zahl den Zeitpunkt, in welchem die griechische Kunst in
Rom zu einer unbestrittenen Herrschaft gelangte. Während also die römischen
Auetoren die älteren Epochen nach den griechischen Darstellungen aus der
Diadochenzeit behandeln mochten, über diese selbst aber ihnen nicht ähnliche
Hülfsmittel zu Gebote standen, fanden sie für die ihnen zunächst liegende Zeit
die Quellen in Rom selbst. Wie aber z. B. gerade in unseren Tagen der so-
genannten Zopfzeit eine geringere Aufmerksamkeit zugewendet wird, so mochte
auch in Rom bei dem vielfach sichtbaren Streben, sich an die ältere, höchste
Entwickelung der Kunst anzuschliessen, die Kunst unter den Diadochen viel-
leicht absichtlich weniger geachtet und geschätzt werden, wenigstens von be-
stimmten Schulen und Kunstrichtern, welche durch Theoretisircn zu einem ge-

505 wissen Purismus geführt worden waren. — Trotzdem aber würde die Schärfe
in der Begrenzung des Plinius nicht zu entschuldigen sein, wenn sich nicht
die thatsächlichen Verhältnisse wenigstens unter gewissen Gesichtspunkten damit
in Uebereinstimmung setzen Hessen. Nun finden wir in der That um die
121ste Ol. einen scharfen Abschnitt schon in der äusseren Geschichte der Kunst.
Die Schulen von Athen und Sikyon-Argos , welche bisher nicht etwa nur ihr
Leben fristeten, sondern unbedingt herrschten, verschwinden gänzlich vom
 
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