Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0375

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VI. Die griechische Kunst zur Zeit der römischen Herrschaft.

371

Hiermit enden die Nachrichten des Plinius über die ältesten Plasten Italiens.
Bis zu dem Zeitpunkte aber, in welchem das besiegte Griechenland auf dem
Gebiete der Litteratur und Kunst seinen Sieger unterjochte, fehlen in den
Schriften der Alten überhaupt alle Angaben über italische Bildhauer; und diese
Lücke wird nur spärlich durch die Inschriften einiger Werke ausgefüllt.

Novius Plautius. Unsere Kunde von diesem Künstler knüpft sich an
das schönste und edelste Werk alt-italischer Kunst, welches wir besitzen, die
sogenannte ficoronische Giste des Kircher'schen Museums in Born, welche um
das Jahr 1743 in der Nähe von Palestrina, dem alten Praeneste, gefunden
worden ist. Die Künstlerinschrift lautet:

N<">vir>S • PU7»vT'M> • MED RnM/711

FECIO

die Dedication:

DINDK7» ' M/7>C<~>HMI/7l ■ FIUE/7» • OEDIT •

Die Formen der Buchstaljen, der Orthographie und der grammatischen Flexion
haben es erlaubt, die Zeit dieser Inschrift ziemlich genau zu bestimmen; und
wir verweisen in dieser Beziehung auf die ausführlichen Erörterungen von Th.
Mommsen in 0. Jahn's Abhandlung über die ficoronische Giste, Leipz. 1852,
S. 42 flgdd. Das Resultat derselben ist, dass die Inschrift nicht wohl jünger
sein könne, als das Ende des fünften Jahrhunderts der Stadt Rom, oder
höchstens der Anfang des sechsten. Leider wird der Nutzen, welchen die Si-
cherheit dieser Bestimmung zu gewähren vermöchte, durch einen andern Um-
stand etwas geschmälert. Die Inschrift nemlich findet sich nicht auf dem
Körper der Ciste selbst, sondern auf der Fussplatte der Gruppe eines Jünglings
und zweier Satyrn, welche, um als Griff zu dienen, in roher Weise auf den 532
Deckel ohne Rücksicht auf die Zeichnung desselben geheftet ist. Dadurch wird
es ungewiss, ob der Ausdruck med fecit auf das Ganze oder allein auf die
Deckelgruppe zu beziehen ist. Dedit in der entsprechenden • Inschrift können
wir nur von der Schenkung des Ganzen verstehen. Beide Inschriften aber er-
scheinen durchaus als gleichzeitig eingegraben, also erst bei Beendigung des
Ganzen. Nun finden sich in den gravirten Zeichnungen dieser Ciste zwar einige
Nebendinge, wie ein Halsband mit der Bulla, ein Armband, eine Art der Be-
schuhung, aus welchen deutlich hervorgeht, dass dieselben in Italien entstanden
sein müssen. Dennoch aber zeugt der Styl, die Erfindung und die Zeichnung
von dem reinsten und edelsten griechischen Geiste. In den freistehenden
Figuren des Deckels dagegen, so wie in den Reliefs der angesetzten Füsse ist
Alles, ich will nicht sagen etruskisch, aber rein italisch. Unmöglich kann ich
also hier denen beistimmen, welche Ciste, Deckel und Füsse als das Werk
einer und derselben Hand anerkennen wollen; und es bleibt mir nur eine
doppelte Annahme übrig: entweder erwarb der Künstler der Deckelgruppe die
Platte mit den gravirten Zeichnungen, oder umgekehrt, der Zeichner kaufte die
unabhängig von seinem Werke bestehende Gruppe und die Füsse schon fertig,
und setzte seinen Namen auf diese, weil sich dort gerade ein passender Raum
darbot. Wie dem aber auch sein möge, immer ist es nicht wahrscheinlich,
dass das Ganze aus Stücken zusammengesetzt sei, welche der Zeit ihrer Ent-
stehung nach in durchaus verschiedene Epochen gehörten, und wir gewinnen
 
Annotationen