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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0377

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VI. Die griechische Kunst zur Zeit der römischen Herrschaft.

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Einflusses, sondern ist durchaus italisch oder etruskisch, in noch weit be-
stimmterer Weise, als es nach der Abbildung erscheintJ). Aus diesem Grunde
ist die Notiz wichtig, dass sie in das Kircher'sche Museum aus der Gualteri'schen
Sammlung in Orvieto gekommen ist, also wahrscheinlich aus Etrurien stammt.
Wenn wir daher in den verschiedenen Theilen der ficoronischen Oiste die gleich-
zeitige Ausübung einer griechischen und einer italischen Kunst in Rom zu er-
kennen glaubten, deren eine ihre Wurzeln in Campanien, die andere in Etrurien
haben mochte, so erkennen wir ein ganz ähnliches Verhältniss in den ziemlich
gleichzeitigen Werken des Ovius und des Pomponius, von denen wir ebenfalls
nicht ohne Grund vermuthen durften, dass das eine südlich, das andere nördlich
von Rom entstanden sei.

Die eben ausgesprochene Ansicht fester zu begründen, fehlen uns leider
weitere Thatsachen. Künstler wenigstens von dieser Klasse sind für jetzt nicht
weiter bekannt, wenn nicht vielleicht

C. Rupius oder Rufius hierher gehört. Von ihm findet sich in Perugia
eine sitzende Figur aus gebrannter Erde mit der Inschrift:

C- RVP1VS- S- FINXIT
Vermiglioli Iscr. Perug. tav. VIII; vgl. Abeken Mittelitalien, S. 369, 3. Die Figur
stellt einen sitzenden jungen Mann mit einer Löwenhaut bekleidet vor, für
welchen Passeri2) die Benennung Lar vorgeschlagen hat. Der Styl hat, der
Abbildung nach zu urthcilen, noch viel von national-etruskischem Charakter
bewahrt, gehört aber schon der freieren Entwickelung desselben an.

CalenusCanoleius gehört vielleicht, strenggenommen, nicht an diese
Stelle. Wir besitzen von ihm eine Schale aus gebranntem Thone mit schwarzem
Firniss, also ein Werk, welches der Technik nach richtiger bei Gelegenheit der
gemalten Vasen zu behandeln wäre. Nur unterscheidet es sich von diesen da- 535
durch, dass es mit Reliefs geziert ist: unten auf der Kreisfläche des Bodens
sehen wir in stark hervorspringender Arbeit die Büste eines bärtigen, be-
kleideten Silens, von einer Gesichtsbildung. wie sie dem Silenopappos eigen
zu sein pflegt. Wie es scheint, hält er die Doppelflöte in den Händen. Um
den Rand des Bodens läuft die Inschrift:

GAI/ENVS • • CANC^EIVS ■ ■ ■ FECIT.
Darauf folgt an der inneren Wand der Schale ein Kranz von Schlingpflanzen;
oberwärts ist dieselbe vielfach gegliedert und in architektonischer Weise mit
Perlen, Wellenlinien und Eierstab verziert: Cab. Durand n. 1434. Die Form
des V verschwindet in lateinischen Inschriften gegen das Ende des sechsten
Jahrhunderts der Stadt. Der italische Ursprung dieses Gefässes (es ist sicheren
Nachrichten zufolge in Vulci gefunden) verräth sich hauptsächlich in der Form
und den vielfach getheilten, scharfkantigen Gliederungen, welche ein Grieche
einfacher und mehr aus einem Gusse gebildet haben würde. Der Silen da-
gegen in seinem ganzen Ausdruck entspricht durchaus der griechischen Auf-
fassung, so dass man versucht sein kann anzunehmen, der Künstler habe ein-
fach ein kleines Erzbild copirt von der Art der clipeati, wie sie noch jetzt vor-

*) Mus. Kirch, aer. II, 14, p. 6. 2) di un simulacro argillaceo, rappresentante un
Dio Lare, Perug. 1774.
 
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