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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0381

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VI. Die griechische Kunst zur Zeit der römischen Herrschaft.

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nicht gerade im Dienste des Metellus, dessen Kunstliebe durch seinen Auf-
enthalt in Griechenland erweckt sein mochte? Die ^völlig: unstatthafte Ansicht",
dass die Werke im Porticus der Octavia zur Zeit des Baues entstanden seien, 540
ist also vielmehr die einfachste und natürlichste. Es fragt sich also nur noch,
in welcher Weise wir zwischen den getrennten Gliedern einer Künstlerfamilie
die Verbindung herstellen sollen. Wir kennen aus Pausanias: Polykles, den
Schüler des Stadieus, und seine Söhne Timokles und Timarchides; aus Plinius:
Timarchides und Polykles, welcher mit Dionysios an einer Statue gemeinsam
arbeitet. Wäre dieser Dionysios der Sohn des von Pausanias erwiibnten Ti-
marchides, des Sohnes des Polykles, und Polykles hei Plinius der Schüler des
Stadieus, so müssten Grossvater und Enkel gemeinsam gearbeitet haben, was
nicht wahrscheinlich ist. Wir müssen demnach zwei Polykles oder zwei Ti-
marchides annehmen, also:

Polykles Timarchides

,-^-, ,-«-N

Timokles. Timarchides Polykles u. Dionysios

Polykles u. Dionysios. Timokles. Timarchides.

Da die Söhne des Polykles immer gemeinsam gearbeitet zu haben scheinen,
Timarchides aber von Plinius als Künstler einer Apollostatue allein genannt
wird, so werden wir dem zweiten Schema den Vorzug geben dürfen. Wenn
endlich Bergk behauptet, dass man „auf keinen Fall die Lesart des Cod. Bamb.
idem Polycles et Dionysius Timarchidis filius (für filii) billigen dürfe," so sehe
ich auch dafür durchaus keinen Grund. Wäre Polykles wirklich des Timarchides
Sohn gewesen, so würde er wahrscheinlich diesen, nicht den Stadieus zum
Lehrer gebäht haben. Folgen wir dagegen der Bamberger Handschrift, was
immer rathsam, wo es möglich ist, so ergiebt sich etwa folgendes Verbältniss:
Polykles, des Stadieus Schüler, mochte dem Timarchides, welcher neben ihm
für Rom arbeitet, nahe verwandt, sein Bruder, Vetter oder Oheim, sein, so dass
es nicht auffallen kann, wenn sein eigener Sohn denselben Namen führt, er
selbst aber mit Dionysios, dem Sohne seines Verwandten, an einem und dem-
selben Werke beschäftigt ist. Dass er endlich diesen und nicht seine eigenen
Söhne zu Gebülfen bat, erklärt sich durch die Annahme, dass die letzteren
Griechenland nicht verliessen, wo. in der That sich alle ihre namentlich be-
kannten Werke befanden.

Der Uebersicht wegen wiederholen wir das Verzeichniss der Werke jedes
einzelnen:

Dem älteren Polykles der 102ten Olympiade hallen wir sicher nur eine 541
Statue des Alkibiades beilegen können.

Der jüngere Polykles, des Stadieus Schüler, arbeitete mit Dionysios den
Juppiter, für sich allein eine Juno im Porticus der Octavia, ferner die Sieger-
statue des Pankratiastenknaben Amyntas. Sein Werk war wahrscheinlich auch
der vorzügliche Hermaphrodit, von welchem Plinius (34. 80) spricht. Denn das
weichlich Ueppige ähnlicher Bildungen entspricht mehr der Zeit nach, als vor
Skopas und Praxiteles, welche zuerst die Aphrodite zu entkleiden wagten. Ob
freilich eine der noch erhaltenen Statuen auf das Vorbild des Polykles zurück-
zuführen ist, und welche unter ihnen, sind wir zu bestimmen ausser Stande.
 
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