Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0420

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
416

Die Bildhauer.

erhielt (Dio Cass. 49, 43). Zwar bieten an der Stelle des Plinius (36, 35), wo
von Werken des Künstlers im Tempel der Juno innerhalb dieses Porticus die
96 Rede ist, die besten Handschriften den Namen des Praxiteles dar. Allein unter
den übrigen dort angeführten Werken liisst sich keines nachweisen. welches
älter wäre, als die Zeit des Metellus; und ferner war „die Statue -des Juppiter
aus Elfenbein im Tempel des Metellus, wo man nach dem Marsfelde geht"
(PI. 36, 40). also doch wahrscheinlich dem Juppitertempel im Porticus der
Octavia, sicher ein Werk des Pasiteles, was für seine Thätigkeit auch in dem
benachbarten Tempel zu sprechen scheint. Er soll nach Plinius viele Werke
gemacht haben, aber nur zwei werden namentlich angeführt, nemlich ausser
dem genannten Juppiter eine in Silber cisellirte Arbeit: der Schauspieler Ros-
cius als Kind von einer Schlange umwunden, in welchem Ereigniss man ein
Vorzeichen seiner späteren Berühmtheit erkennen wollte (Cic. de divin. I, 36).
Trotz dieser spärlichen Nachrichten haben wir jedoch allen Grund, Pasiteles
für einen der berühmtesten und bedeutendsten Künstler seiner Zeit zu halten;
sowohl wegen seiner Vielseitigkeit (denn er arbeitete in Marmor, in Elfenbein,
in Silber, in Erz), als namentlich wegen seiner Studien. Plinius nemlich führt
(35, 156) aus Varro an: Pasiteles habe die Plastik, d. h. die Arbeit in Thon,
die Mutter der Caelatur, der Erz- und Marmorbildnerei genannt, und obwohl
er in allen diesen Kunstzweigen ausgezeichnet gewesen, habe er nie etwas
ausgeführt, ohne es vorher in Thon zu bilden. Diesem, ein tiefes Studiuni
verrathenden Verfahren schloss sich sodann ergänzend die historische Betrach-
tung älterer Werke an. Er schrieb fünf Bücher über ausgezeichnete Kunstwerke,
welche Plinius seiner Quellenangabe zufolge im 33—36sten Buche benutzte.
Welcher Art nun aber die seinen Werken eigenthümlichen Verdienste waren,
wird nirgends ausgesprochen: und wir können darüber nur eine Vermuthung
durch einen Rückschluss von den Werken seiner Schule aufstellen.

Stephanos nemlich nennt sich auf einer athletischen Statue der Villa Albani
einen Schüler des Pasiteles: CT€<t>ANOC TTACIT€ACYC

/AA0HTHC CTT06I

G. 1. Gr. n. 6169; schlecht abgebildet bei Maiini Iscr. Alb. p. 173. Diese Figur
gehört keineswegs zu denen, welche eine hohe geniale Begabung ihres Urhebers
voraussetzen lassen. Vielmehr möchte man auf sie die Bezeichnung einer aka-
7 demischen Studienfigur anwenden, bei welcher dem Künstler der Gedanke vor-
schwebte, eine Art Musterfigur, etwa in der Weise des polykletischen Kanon,
aufzustellen. Die Haltung ist durchaus streng und gemessen, wenig bewegt
und, wie es scheint, gerade darauf berechnet, den ganzen Körper in seinen
einfachen und normalen Verhältnissen zu zeigen. Die Behandlung der Ober-
fläche ist fern von üppiger Weichheit und Fülle; vielmehr liesse sich ihr eine
gewisse Trockenheit und Magerkeit zum Vorwurfe machen, die aus einem zu
ängstlichen Streben nach Gorrectheit hervorgegangen sein kann. Endlich muss
noch besonders die Kleinheit des Kopfes im Verhältniss zum Körper auffallen.
Alle diese einzelnen Erscheinungen lassen sich vielleicht am einfachsten auf
folgende Weise erklären: die strengen Regeln des polykletischen Kanon waren
durch Lysipp verdrängt worden, der ein grösseres Streben nach Anmuth und
Eleganz der äusseren Erscheinung in die Kunst einführte. Aber indem dadurch
 
Annotationen