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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 1.1899-1900

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Nr. 12
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Bibra, Reinhard von: Ruine und Aussichtsthurm
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https://doi.org/10.11588/diglit.31728#0096

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fteht, welche alle jene Eigerischafcen in sich vereinigt, diezu einer inalerischen Ruine gehörcn. Der Bodenlaube da-
gegen könnte man mit dern besten Willen dieses Beiwort nichc zubilligerr; und wie leicht ware das zu andern!

Im Wesentlichen aus zwei massigen Thürmen mit einem kurzen Vcrbindungsbau bestehend,
bildec derzeit die Ruine eigentlich nur einen großen Steinblock, dessen einförmige Lonturen kaum durch
ein paar Lucken ausgebröckelrer Sreine uncerbrochen werden. Diesev Einförmigkeir ware unschwer
abzuhelfen. Ncan brauchte nur beide Thürme, den einen etwas weniger, den anderen erwas mehr, und
die Verbindungsmauern, an den größeren Thurm anstoßend, urn so viel zu erhöhen, daß ein paar ^erister-
öffnungen, so wie sie einft waren, ss>lay fanden, und das ganze Bild wurde, ohne den Lharakter dcr
Ruine zu verletzen, ein weic freundlicheres für den Beschauer, für die ganze Landschafr werden. Daß
diese Erganzungen nur auf Grund sachverstandiger Errnictelungen geschehen dürfen, wurde schon er
wahnt. Der höhere Thurm wird derarc von selbst Aussichtöthurm. Wir möchten diese Gelegenheit auch
gleich benutzen, um ein paar Worre über die jetzt wie Pilze aus der Erde schießenden „Aussichtsrhürme"
zu außern. Es giebt schon fast keine Stadt oder Sradtchen Ln bergiger, ja oft fast fiacher Gegend,
die nicht einen solchen Thurm hacre. Und was für Epemplare! 19on nüchterner Holz- oder Eisen
conftruction ä la Eiffel bis zu den kühnsten romanischen (?) und mittelalterlichen (?) Formen ift so
ziemlich jeder Scyl oder Vlichtftyl verrreten.

Der natürliche Weg zur Herstellung eines Aussichtsrhurmes bleibt Lmmcr der, wie schon gesagc,
den Bergfried einer vorhandenen Auine zu benutzen und ohne Derböserungen auf eine enrsprechende
Höhe zu bringen. Dabei kann man sicher sein, umfassende Aussicht zu erzielen, weil die Erbauer der
Burgen schon aus Sicherheirsgründen Gorge rrugen, daß der höchfte Thurm als wahrer „Tug in's
Land" dience; dabei wird auch gewiß das -Eandschafcsbild nicht verdorben.

Dies geschiehc leider nur allzu ofc durch wahre Mißgeburten von Aussichtöthürmen. Da giebr
es viercckige mit rundern Zinnenkranz, runde Thürme, um die sich außen die eiserne Treppe wie ein
Tausendfuß windet, oder von einem viereckigen Aufbau bekrönc (alcnürribergisch!), der so breit aus
ladet, daß man aus der Lerrie glaubt ein Gtaarenhaus auf einer Hopfenftange zu sehen. Gder mari
sieht Thürme, an deren Ziiirienkranz noch ein erhöhtes Auslugthürmchen (1erminu8 teLkni'LU8?) an
geklebt ift, obgleich der Durchmesser des Thurmes so gering, daß für solchen Aufbau gar kein Grund
vorhanden. (Diese wurden nur dort angebracht, wo wegen zu großen Durchmessers der HAartform des
Thurmes die Uebersi btlichkeir für den Wachter es forderte.) Gft aber beschranken sich die Zuthacen
rncht riur auf so ein Erkerchen, sondern es sind uriten am Fuße des Thurmes noch „stylvolle"

Anbauten — zum WLrrhschafcs
becrieb nacürlich — errichrer,
die nach dem Ropf der ge
feierren Gründer und Gtrfcer
dem Ganzen einen „burgartigen
Lharakter" geben sollen, wah-
rend der Bau aus dcr Ferne
weit eher einem altmodischen
Spucknapf gleichr.

Es ware wirklich zu wün
schen, daß „verschönerungs
vereine", welche in der A.egel
diese Aussichtö - Thürme ins
Leben rufen, sich wegen dereri
Encwürfe an die richtigen
Manner wenden, sonst wird
dieLandschaft nicht verschonert,
sondern die V7atur wird verun
stalcet durch — die Runst. Urid
das ist doch wahrlich nicht
deren Aufgabe!

R. v. Bibea, Ivürzburg.
 
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