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Curtius, Ernst
Gesammelte Abhandlungen (Band 2) — Berlin, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.33815#0033

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I. Studien zur Geschichte der Artemis.

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Westen gerichtete Uebersiedelungen und Yerpdanzungen — so
werden wir auch im Osten die Ausgangspunkte zu suchen hahen,
wenn wir den Artemisdienst in seinem geschichtlichen Zusammen-
hange zu erkennen suchen.

An der asiatischen Küste waren ganz andere Yerkehrs-
verhältnisse als in den abgelegenen Bergcantonen des dies-
seitigen Hellas, und wenn es Ephesos war, das von alien Sitzen
des Artemisdienstes demselben am meisten eine ökumenische
Bedeutung zu verieihen vermoclit hat, so erldärt sich dies
daraus, dafs hier das natürliche Land- und IVasserthor des
östlichen Oontinents war, ein Kreuzpunkt der verschiedensten
Yerkehrswege. Da nur die Seestrassen hier eine besonders vor-
wiegende Bedeutung erlangt hahen, so lag es nahe, hier auch
eine maritime Zuwanderung vorauszusetzen, um so mehr, als in
dem benachbarten Erythrai die Einführung des phönikischen
Heraklesdienstes sehr bestimmt bezeugt ist. Dazu kommt, dafs
in einem phönikischen Heiligthume, dem an der Syrte gelegenen,
heilige Gebräuche seltenster Art sich hnden, weiche mit Ephesos
die gröfste Uebereinstimmung zeigen, die Tempelgarde bewatfneter
Frauen, welche die Göttin schützen wie durch Aufzüge und
Waffentänze feiern, dieselben Formen der Keuschheitsprobe u. a.
(Beitr. zur Gesch. u. Top. vonKleinasien S. 11; s. oben Bd. I
S. 239). Deshalb erschien mir eine Uebertragung wahrscheinlich;
erweisen läfst sie sich nicht, und thatsächlich ist nur, dafs längst
vor Gründung der Zwölfstadt Artemisdienst an dieser Küste
ansässig war und mit dem Hinterlande in engster Yerbindung
stand. lYie in Arkadien finden wir Artemis hier als Berg- und
Flufsgöttin. Das von Mysern, Phrygern und Lydern umwohnte,
durch Natursegen ausgezeichnete Tmolosgebirge wird hier zu
einem neuen Oentrum (Artemis Tmolia: Athen. 636). Yon hier
aus erstrecht sich nach Westen hin der Artemisdienst wie ein
nationales Band, welches alles griechische und den Griechen
verwandte Yolk umfafst. Wie wir auf den Inseln der Aristobule
von Athen in Rhodos, der lakedämonischen Kondylitis in Les-
bos begegnen, so ßnden wir die Haarweihe der Jungfrauen in
Hierapolis wie bei den Troezeniern (Lucian, dea Syr. a. E.) und
gleichartige Priestersatzungen bei der Ephesia wie bei der Hymnia
in Arkadien. Artemis Gygaia als Todesgöttin hütete die Gräber
der Mermnaden wie Diktynna die der spartanischen Könige,
und lydische Pfeifer feierten mit lydischen Aufzügen die lake-
 
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