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I. Studien zur Geschichte der Artemis.
seiner geistigen Entwickelung entfaltet sie sich selbst in ethischer
wie politischer Beziehung immer reicher und voller: ut grex,
sic rex. Daher der Göttin unzäMige Altäre im griechischen
Lande und die Fülle ihrer Namen.
Das ist die grosse Naturgöttin, wie ich sie in meinem Auf-
satze über „griechische Mythologie vom geschichtiichen Stand-
punkte" (Alterthum und Gegenwart II S. 50) darzustellen ver-
sucht hahe; ebenso hat Olaus in seiner inhaltreichen Disscrtation.
De Dianae antiquissima apud Graecos natura (Bresiau 1881)
die Göttin aufgefafst. Ganz übereinstimmend Perrot, Histoire
de l'art III p. 319 und Homolle, De antiquissimis Dianae
simulacris p. 56, und ich sollte denken, dafs diese Auffassung
vom Wesen der Artemis jetzt keinem Widerspruch mehr be-
gegnen dürfte, wenn auch das Verhältnifs derselben zu den
anderen weiblichen Gottheiten noch Zweifeln unterliegen mag.
Nun noch ein Wort über die Ausbreitung des Oultus.
Der Umstand, dafs es nur im diesseitigen Festlande von
Hellas durch Pausanias möglich ist, die Verbreitung der Götter-
dienste genau zu überblicken, verleitet immer wieder zu der
Anschauung, als ob in der alten Oulturgeschichte ein diesseits
und jenseits unterschieden werden könne. Das Irrthümliche
dieser Vorstellung erhelit auch aus einer Reihe der wichtigsten
Artemis-Stationen, welche sämmtlich Küstenplätze sind mit
bequemen Anfahrten und Vorgebirgen; so die Mündung des
Aipheios. Vorzugsweise aber ist es die Ostktiste, wo wir die
Oultusplätze reihenweise verfolgen können. Ich erinnere nur an
die saronische Bucht und die bboyro^ra dX/cfg in Troizen
(Eurip. Hippoi. 228), wie die ig^og ^rb^ndog x^oooo^oo
(Herod. VIII 77), dxrb: xoong (Soph. Trach. 637);
an Brauron, Marathon (Mittheii. des Instit. X 279), Peiraieus
und Auiis, an die Artemis Diktynna am Vorgebirge bei der
Smenosmündung (Peloponn. II 275), Issorion, Tainaros; an die
Inseln Aigina, Thera und Melos (Archäol. Zeitung XI 182)
und vor allem an Kreta. Alle Spuren weisen von Westen nach
Osten, vom Festiand ins Inselmeer, und da eine Bewegung im
Artemisdienste nicht zu verkennen ist, von Kreta nach dem
Peloponnes, von Euboia nach Attika, von Aetolien zu den
Henetern, von Kiein-Asien nach Latium nach Galiien und nach
Spanien (Strab. 159: z/Mr^or, h/()rb,o^dog ie^or, ein wohi-
gelegenes o^q^r^p^or xord i9-d/.oooor) — es sind iauter nach
I. Studien zur Geschichte der Artemis.
seiner geistigen Entwickelung entfaltet sie sich selbst in ethischer
wie politischer Beziehung immer reicher und voller: ut grex,
sic rex. Daher der Göttin unzäMige Altäre im griechischen
Lande und die Fülle ihrer Namen.
Das ist die grosse Naturgöttin, wie ich sie in meinem Auf-
satze über „griechische Mythologie vom geschichtiichen Stand-
punkte" (Alterthum und Gegenwart II S. 50) darzustellen ver-
sucht hahe; ebenso hat Olaus in seiner inhaltreichen Disscrtation.
De Dianae antiquissima apud Graecos natura (Bresiau 1881)
die Göttin aufgefafst. Ganz übereinstimmend Perrot, Histoire
de l'art III p. 319 und Homolle, De antiquissimis Dianae
simulacris p. 56, und ich sollte denken, dafs diese Auffassung
vom Wesen der Artemis jetzt keinem Widerspruch mehr be-
gegnen dürfte, wenn auch das Verhältnifs derselben zu den
anderen weiblichen Gottheiten noch Zweifeln unterliegen mag.
Nun noch ein Wort über die Ausbreitung des Oultus.
Der Umstand, dafs es nur im diesseitigen Festlande von
Hellas durch Pausanias möglich ist, die Verbreitung der Götter-
dienste genau zu überblicken, verleitet immer wieder zu der
Anschauung, als ob in der alten Oulturgeschichte ein diesseits
und jenseits unterschieden werden könne. Das Irrthümliche
dieser Vorstellung erhelit auch aus einer Reihe der wichtigsten
Artemis-Stationen, welche sämmtlich Küstenplätze sind mit
bequemen Anfahrten und Vorgebirgen; so die Mündung des
Aipheios. Vorzugsweise aber ist es die Ostktiste, wo wir die
Oultusplätze reihenweise verfolgen können. Ich erinnere nur an
die saronische Bucht und die bboyro^ra dX/cfg in Troizen
(Eurip. Hippoi. 228), wie die ig^og ^rb^ndog x^oooo^oo
(Herod. VIII 77), dxrb: xoong (Soph. Trach. 637);
an Brauron, Marathon (Mittheii. des Instit. X 279), Peiraieus
und Auiis, an die Artemis Diktynna am Vorgebirge bei der
Smenosmündung (Peloponn. II 275), Issorion, Tainaros; an die
Inseln Aigina, Thera und Melos (Archäol. Zeitung XI 182)
und vor allem an Kreta. Alle Spuren weisen von Westen nach
Osten, vom Festiand ins Inselmeer, und da eine Bewegung im
Artemisdienste nicht zu verkennen ist, von Kreta nach dem
Peloponnes, von Euboia nach Attika, von Aetolien zu den
Henetern, von Kiein-Asien nach Latium nach Galiien und nach
Spanien (Strab. 159: z/Mr^or, h/()rb,o^dog ie^or, ein wohi-
gelegenes o^q^r^p^or xord i9-d/.oooor) — es sind iauter nach