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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Hammer, Norbert: Überprüfung der Wahrnehmungswirkungen von Designprodukten durch Okulometrie als Mittel konsequenten Designmanagments
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0071
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Freie Betrachtungen bestätigen die These des
bottom-up-processing, da eindeutig die infor-
mationsstarken Bereiche fixiert werden. Das
sind Bereiche mit großer Detailvielfalt, vor al-
lem Schriftelemente. Im Test von Produkten
wird das sehr deutlich darin, daß eine der er-
sten Fixationen stets auf das Firmenzeichen
und/oder andere Wortzeichen (so weit vorhan-
den) gerichtet ist. Man könnte daraus voreilig
schließen, alle Probanden seien markenorien-
tiert, es ist jedoch eher zu vermuten, daß die-
ses Ergebnis im hohen Informationswert von
Wortzeichen begründet ist.

Der Schwerpunkt der gezeigten okulometri-
schen Tests liegt auf Blickbewegungsmes-
sungen unter Vorgabe von Suchaufgaben. Die
signifikanten Unterschiede in den Fixations-
orten und Fixationsverläufen bei unterschied-
lichen Aufgaben bestätigen die Erkenntnisse
in der Blickbewegungsforschung /z. B. Yarbus
1967/, daß unter Vorgabe von Suchaufgaben
eine gezielte Bildanalyse im Sinne der Auf-
gabenstellung erfolgt und belegen für diesen
Anwendungsfall die Grundannahme einer vor-
wiegend schemageleiteten Auswertung (top-
down-processing). Zugleich bestätigt das die
hier zugrundegelegte Ausgangshypothese der
Möglichkeit einer Interaktion verbaler und vi-
sueller Informationsverarbeitung, da diese
Auswertungsstrategien aufgrund begrifflich
vorgegebener Notationen verfügbar gemacht
werden.

Es lassen sich solche Anwendungsbereiche
unterscheiden, bei denen das Suchziel in sei-
ner formalen Ausprägung allgemein bekannt
ist (dabei geht es vorrangig um das physio-
logische Erkennen bzw. das Auffinden des
Suchzieles) und solche, bei denen erforscht
wird, ob gegebene formale Ausprägungen
eindeutig einem abgefragten semantischen
Sachverhalt zuordenbar sind.

Typische Anwendungsbeispiele des ersten
Untersuchungsbereiches sind Ablesetests von
Instrumenten-Designs mit unterschiedlichen
Ausführungen und Anordnungen der Instru-
mente. Flier kann analysiert werden, bei wel-
chen Ausführungsvarianten ein vorgegebenes
Ableseziel wie schnell und wie exakt iden-
tifiziert wird. Andere hierzu einsetzbare Prüf-
verfahren (z. B. tachistoskopische Verfahren,

verbale Verfahren) sind für diesen Untersu-
chungsfall mit Abstand schlechter geeignet.

Im Untersuchungsbereich qualitativer Pro-
duktmerkmale zeigt sich, daß unter Vorgabe
von Suchbegriffen diejenigen Stimulusberei-
che fixiert werden, die Zeichenträger für die
gesuchten Qualitäten sind. Bei Qualitäten, die
sich direkt auf das Produkt rückbeziehen, bei
denen - zeichentheoretisch gesprochen - das
Produkt der Referent ist, führt dies meistens zu
eindeutigen und brauchbaren Ergebnissen, in-
sofern umgrenzbare Elemente oder Bereiche
eines Produktes mit Fixationskonzentrationen
isoliert werden, während in anderen Fällen nur
unspezifische Fixationsverteilungen oder bild-
zentrale Fixationen feststellbar sind.

Für viele der angeführten Fragestellungen
sind in der Designpraxis andere, einfachere
Verfahren als Kontrollmedien völlig ausrei-
chend. Dort jedoch, wo es gelingt, einzelne
Formmerkmale als Informationsträger für be-
stimmte Zeicheninhalte okulometrisch zu iso-
lieren, kann das Verfahren dem Designer nicht
nur Argumente liefern, sondern ihn auch in der
gestalterischen Arbeit unterstützen.

Erinnern wir uns an den Leitgedanken die-
ses Kolloquiums - Vernunft im Design -, so
möchte ich eines nicht unerwähnt lassen:

Die Okulometrie ist in den Anwendungsberei-
chen, in denen sie funktioniert, sicherlich im
Rahmen eines vorausplanenden argumenta-
tiven Designmanagements ein brauchbares
Verfahren zur Überprüfung von Designproduk-
ten, von bestehenden Produkten des Marktes
und von Designentwürfen. Sie dient also dem
Bewußtwerden der Wahrnehmungswirkungen
von Designprodukten. Dieses vorausschau-
ende verstandesmäßige Erfassen ist im wei-
testen Sinne ein vernünftiges Vorgehen und
gewiß ein vernünftiges Vorgehen aus unter-
nehmerischer Sicht. Damit ist jedoch nichts
darüber ausgesagt, ob das, was derart ana-
lysiert wird, vernünftig ist im Sinne eines an-
zustrebenden gesellschaftlich/kulturellen Nut-
zens. Das liegt nicht im Vermögen des Verfah-
rens, sondern obliegt einzig und allein der
Intentionalität des Designers bzw. des Design-
auftraggebers. Designmanagement ist daher
immer bestimmt durch die ethische Grundhal-

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