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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Oehlke, Horst: Infragestellung einer Profession
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0103
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Horst Oehlke

Infragestellung einer Profession

Das Design und im engeren Sinne das indu-
strielle Design bewegt sich seit der Mitte unse-
res Jahrhunderts zwischen oft nahezu kosmi-
schen Ansprüchen und vielfach kosmetischen
Resultaten.

Die seinerseits von Max Bill eingeführte, von
den meisten Designern aber denunziativ emp-
fundene Charakterisierung des Design als Fri-
seurhandwerk erhält heute im Rückblick und in
der Bewertung des Gegenwärtigen nachträg-
lich einen gewissen Wahrheitsgehalt, wenn
man das Wort metaphorisch nimmt. Man
könnte das Auspendeln des Design als pro-
fessionelle Ideologie ebenso mit dem Wort-
spiel von der Berufung zum Beruf und zurück
charakterisieren.

Eine solche Wertung ist ohnehin nicht absolut,
sondern in ihrem Bezug auf ein bestimmtes
konzeptionelles Verständnis vom Gegen-
stand, von der Tätigkeit und ihrem kulturellen
Hintergrund zu sehen.

Seit Mitte der 60iger Jahre wird davon geredet,
daß sich das Design in einer Krise befindet.
Sie ist am Ende sogar permanent, und wenn
das so ist, scheint es letztlich sogar ganz in
Ordnung und gesetzmäßig zu sein.

Eine Profession wie das Design kann sich nur
dadurch bestätigen, indem sie sich ständig
selbst in Frage stellt.

Andererseits hat sich das Dilemma des De-
sign, besonders wieder des industriellen, im-
mer zwischen den Stühlen zu sitzen, hier
Technik - da Kunst, als ein Vorteil entpuppt,
der sich dann zeigte, als sich auf Grund tech-
nologischer, wirtschaftlicher und anderer Um-
strukturierungen Tätigkeitsbereiche und Be-
rufszweige turbulent und permanent veränder-
ten oder wegfielen und neu bildeten, indem
neue Tätigkeitsfelder nicht aus alten Zünften
und Disziplinen entstehen, sondern auf Grund
neuer Funktionen im gesellschaftlich-wirt-
schaftlichen und kulturellen Getriebe. Dazu ist
keine Profession besser geeignet als das De-
sign, das sowohl praktisch wirkt, dazu theo-

retisch sich verhalten muß, und schon immer
kooperativ und kommunikativ zu arbeiten ge-
wöhnt ist.

Jedoch im Augenblick der wirtschaftlichen, po-
litischen und durchaus auch sozialen Aner-
kennung, der Funktions- und Rollenbestäti-
gung in den industrialisierten Ländern hat das
Design seine einhellige, verbindende und ver-
bindliche Basis verloren. Ob sie je bestanden
hat, wäre ebenfalls in Frage zu stellen.

Design in seiner beruflichen Bestimmung und
Bestimmtheit löst sich auf. Das wissenschaft-
lich-technisch orientierte Paradigma gilt nicht
mehr unbesehen, die technologisch orientier-
ten Kriterien und die ökonomisch motivierten
Leitbilder (z. B. Serie, Typ und Standard) als
gestaltbildende Prinzipien sind obsolet gewor-
den.

In Verbindung mit seiner Funktion als Instru-
ment wirtschaftlicher Prosperität erhält Design
eine Breitenwirkung von der noch vor 30 Jah-
ren die Designer hierzulande und sicher auch
anderen Orts nicht zu träumen gewagt hätten.
Aber Design, vormals zwischen Kunst und
Technik hin und her gezogen, operiert nun zwi-
schen Schein und Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit behaupte ich, ist die ökologi-
sche Katastrophe, die trotz vieler Reden, Teil-
maßnahmen, Beteuerungen und hoffnungs-
voller Ansätze parallel zur Frage der militäri-
schen Abrüstung nicht abgewendet ist. Deren
Hauptprobleme nicht annähernd gelöst sind.

Design ist nicht mehr nur als bloße Produkte-
macherei, und nicht als Suche nach Aus-
drucksformen bekannter oder innovativer
technischer Lösungen zu legitimieren, son-
dern als ein vielschichtiges vernetztes Tätig-
keitsfeld zu begreifen dem man mit gar kunst-
theoretischen Kategorien ohnehin schon lange
nicht mehr beikam. Design entzieht sich
amöbenhaft jeder Fixierung, es sei denn man
gibt sich mit Partikeln oder Klischierungen
zufrieden.

Daraus sind Konsequenzen durch Infrage-
stellung, Revision, Reform, Neukonzipierung
der professionellen Bereiche, horizontal wie
vertikal, und der dazu erforderlichen Vorberei-
tung auf gesellschaftliche Wirksamkeit auch
durch Ausbildung zu ziehen.

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