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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Oehlke, Horst: Zum Thema des Kolloquiums
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0009
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Horst Oehlke

Zum Thema des Kolloquiums

Als wir im Kollegenkreis das Thema für dieses
Kolloquium berieten und als wir uns entschlos-
sen, gerade dieses Thema (eigentlich ist es
ein Reizwort heutzutage) für das kommende
Kolloquium zu nehmen, schien es uns allen
völlig klar, daß es ins Zentrum von Fragen des
Design heute zielt, die uns seit langem und
immer mehr beschäftigen. Ja, daß es gerade-
zu ein Schlüsselthema sein könnte, eigentlich
unweigerlich ein solches ist.

Dann war eine Weile Ruhe. Jeder wußte, der
andere bewegt sich suchend und denkend in-
haltlich auf den Termin zu. Bis dann eine Zeit
kam, in der man anfing, so ab und an mal einen
Gedanken sondierend blicken zu lassen. Und
siehe da, nahezu jeder hatte beinahe nur Fra-
gen, sah das Wort, das nun Problematik ge-
worden war, wesentlich diffuser, als in der Zeit,
da der Moment sich dazu zu offenbaren noch
weit weg war.

Das ist ja immer die Sicherheit derer, die eine
Sache nur von Weitem, wenn auch nicht zu
weit ab, sehen. Da ist sie immer relativ klar.
Man sieht sie von Außen und nicht in ihren
Einzelheiten. Sobald man aber eindringt in ein
Problem, wird man eben auch des Unverein-
baren, Wirren, Widersprüchlichen gewahr, das
dann genau umgekehrt übergroß und dadurch
leicht undeutlich wird.

Es ist ein bekanntes Erlebnis, daß bei immer
weiterem Eindringen und vielleicht auch zu
langem Hinschauen, die Dinge alsbald unklar
werden.

Gestaltwahrnehmung hat Abstand zur Bedin-
gung. Im materiellen gegenständlichen Be-
reich wie im Begrifflichen und bei rein menta-
len Konstrukten. Formdefinition dagegen er-
fordert die Lösung von Widersprüchlichem.
Das möchten wir bei unserem Gedankenaus-
tausch bedenken. Unterschiedliche Zugänge
zu dieser Problematik resultieren nicht nur aus
unterschiedlichem Herkommen und unter-
schiedlichen disziplinären Sichtweisen, son-
dern aus der Art der Problematik und ihren
Behandlungsmöglichkeiten selbst.

Natürlich steht eine weltweit stattfindende

Auseinandersetzung und Polarisierung als
Problemfeld dahinter, die nicht vordergründig,
eher nachvollziehend, in Architektur und De-
sign vorhanden sind, die sich aber aus dem
unaufhaltsamen Wandel des Paradigmas ob-
soleter mechanistischer einliniger Wissen-
schaftsgläubigkeit und deren wirtschaftlichen,
sozialen, ökologischen und kulturellen Folgen
hin zu vielschichtigen und komplexen Prozes-
sen und Lebensbegriffen und zu einer Suche
nach neuer Sinngebung oder überhaupt Wie-
dergewinnung von Sinn, Lebenssinn, in nahe-
zu allen Bereichen individuellen und gesell-
schaftlichen Lebens ergeben.

Es kann aber nicht um die Entgegensetzung
oder gar das Ausspielen von Vernunft gegen
Sinnlichkeit gehen, wie das vor Jahrzehnten
schon in der Antifunktionalismusdiskussion
betrieben wurde. Das gibt keinen Sinn. Und
schon gar nicht wäre Aufklärung (im histori-
schen wie pädagogischen Sinne) gegen eine
neue Mystik einzutauschen, denn die damit
verbundenen Ideologismen sind es, die sich
dem denkenden Zugriff entziehen, nicht etwa
das Wissen um die Existenz von nichtdurch-
schaubaren Zusammenhängen und Phäno-
menen.

Es kann uns daher heute hier nicht darum
gehen, wieder einmal neue fixe Kriterien,
Grundsätze und Maßstäbe für das Design zu
behandeln und damit Dogmen zu behaupten.
Das liegt nicht in der Absicht bei der Wahl die-
ses Themas „Vernunft im Design“.

Vielmehr kam es uns darauf an, soviel wie
möglich unterschiedliche Standpunkte dazu zu
hören; selbst wenn uns der Begriff dabei erst
einmal durch die Finger rinnen und verschwin-
den sollte. Selbst das wäre ein Ergebnis, wenn
damit verfestigte Vorstellungen aufgebrochen
würden, aber auch wieder neue Einsichten
dazu kämen.

Die erstmalig wirklich offene Gelegenheit des
Zusammenfindens dazu hier an unserer Hoch-
schule und der erfreuliche Zuspruch daran teil-
zunehmen, lassen uns vermuten, daß die The-
menwahl nicht ganz unvernünftig war.

Sicher werden wir hier in diesen zwei Tagen
nicht so sehr viel klären können. Wir selber
hoffen Neues zu hören.

Der Zeitpunkt, die Zusammensetzung , die ge-
meinsamen Fragen und Probleme sind Grund

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