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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Fischer, Michael: Gestaltete Umwelt - gestaltete Gefühle: zu emotionalen Wirkungen von Designobjekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0113
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Michael Fischer

Gestaltete Umwelt - gestaltete
Gefühle

Zu emotionalen Wirkungen von
Designobjekten

ln diesem Beitrag möchte ich aus psychologi-
scher Sicht einen hervortretenden Gedanken
aus den Thesen zu unserem diesjährigen de-
signtheoretischen Kolloquium aufgreifen:
Ausgehend von der dort formulierten Orientie-
rung, ein realistisches Vernunftkonzept für das
Design nicht einseitig auf der Rationalität des
Menschen zu gründen, sondern gleicherma-
ßen seine Emotionalität in das Zentrum eines
angemessenen designbezogenen Vernunftbe-
griffs zu stellen, möchte ich einige Aspekte der
emotionalen Beziehung zur gegenständlichen
Umwelt thematisieren.

Ich werde ausgewählte psychologische Er-
kenntnisse skizzieren, die relevant erscheinen
für das Verständnis der emotionalen Wirkung
von Designobjekten, und aufbauend auf die-
sen, auf der Seite der Rezeption und Nutzung
sich darstellenden Beziehungen versuchen,
verallgemeinerbare Schlußfolgerungen für die
Gestaltungsseite im Sinne einer die Emotiona-
lität berücksichtigenden Designstrategie auf-
zuzeigen.

Zunächst möchte ich kurz eine Auffassung hin-
terfragen, die bei der Diskussion des Problems
der Emotionalität immer wieder eine Rolle
spielt und die auch das Herangehen an die
spezielle Frage der emotionalen Wirkung ge-
stalteter dinglicher Umwelt leiten könnte.

Es handelt sich dabei um die Auffassung der
Eigenständigkeit oder auch Gegensätzlichkeit
von Rationalit’ät und Emotionalität bzw. - psy-
chologisch ausgedrückt - von kognitiven und
emotionalen Steuerungsmechanismen des
Verhaltens. Diese Auffassung ist aber, zumin-
dest wenn die Natur der zugrundeliegenden
psychischen Prozesse näher analysiert wird,
nicht aufrechtzuerhalten: Kognitionen als er-

kenntnismäßige und Emotionen als wertungs-
mäßige Reflexionen der Realität stehen mit-
einander in enger Wechselwirkung. Diese In-
teraktionsbeziehung von Kognition und Emo-
tion wird auch in den meisten emotionspsy-
chologischen Theorien herausgestellt, wobei
es allerdings konzeptionelle Unterschiede in
der Akzentsetzung der Interaktion gibt.

Das kann z. B. anhand der Theorien zur aktu-
ellen Entstehung von Emotionen dargelegt
werden. So wird in der wohl einflußreichsten
Theorie zur Aktualgenese der Emotionen
(SCHACHTER und SINGER 1962) für das Er-
leben eines Gefühls das Auftreten einer
körperlich-physiologischen Empfindung als
primär angesehen. Die Empfindung löse als
unspezifisches emotionales Signal kognitive
Prozesse der erkenntnismäßigen Reflexion
der Situation aus. Je nach Art der kognitiven
Situationseinschätzung, etwa als bedrohlich
oder förderlich, werde dann das unspezifische
Gefühl inhaltlich interpretierbar und erhalte
erst dadurch seine spezifische Qualität, z. B.
als Emotion der Angst oder Freude.

In anderen Ansätzen wird demgegenüber ko-
gnitiven Faktoren bei der Emotionsgenese der
Vorrang eingeräumt. So wird u.a. die Abwei-
chung des aktuellen Wahrnehmungsbildes
vom gedächtnismäßigen Erwartungsbild über
eine Situation als ein wesentlicher Ursachen-
faktor angenommen, der zusammen mit der
Einschätzung der subjektiven Bewältigbarkeit
zu Emotionen als wertungsmäßigen Reflexio-
nen führe, erlebbar etwa als Gefühl der Si-
cherheit bzw. Unsicherheit in der Situation.

Dieser Exkurs in einen Aspekt der psycholo-
gischen Emotionstheorie sollte die enge Ver-
flochtenheit von Kognition und Emotion her-
vorheben, mithin der Auffassung von deren Ei-
genständigkeit oder Gegensätzlichkeit entge-
genwirken. Für die emotionale Wirkung von
Designobjekten bedeutet dies - was ich noch
im einzelnen zu belegen versuche daß die
gestaltungsseitige Grundlage dafür gerade
auch in der Beachtung kognitiver Faktoren der
Objektrezeption und -nutzung liegt.

Zur näheren Bestimmung der Beziehung
von gegenständlicher Umwelt und personaler
Emotion betrachte ich im folgenden Emotio-
nen zuerst unter einer beschreibenden, da-

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