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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Oehlke, Horst: Infragestellung einer Profession
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0105
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Bleiben wir aber bei unserer Profession: an
den Designschulen schmückt man sich gera-
dezu mit dem Wort ökologisch, wie man sich
eine zeitlang mit dem Wort ästhetisch ge-
schmückt hat. In der designerischen Argu-
mentation fungiert das Wort Ökologie als zur
Zeit nicht ersetzbares Versatzstück. Aber ohne
kompetentes Wissen, ohne kompromißlose
Kooperation bleibt Ökologie eine Worthülse
und rein rhetorisch.

Inzwischen wird die gezielte Information über
Ökologiefragen im TV und in der Presse ge-
nauer, intensiver und umfangreicher betrie-
ben, als es konventionelle Lehrveranstaltun-
gen bieten können. Also sollte man die Art
der Informationsvermittlung sich genauer
überlegen, ein paar Vorlesungen sind Augen-
wischerei. Genauso sind es die Übungsstücke
im Entwurf. Wir haben es durchgemacht mit
Studenten, bei nach unserer Meinung nach
ökologisch orientierten Themen. Die Reaktion
der betrieblichen Auftraggeber war wörtlich
zum Totlachen.

Selbst die Aufhebung ökologischer Daten
als geheime Verschlußsache der ehemaligen
DDR und die nun öffentliche, sicher noch nicht
offene Information, ändert an der Sachlage
noch nicht viel.

Das rasende Vehikel Marktwirtschaft fährt
voraussichtlich genauso gegen den Baum, wie
die Kommandowirtschaft gegen die Mauer
gefahren ist, wenn sich nichts prinzipiell tut,
örtlich, regional und global.

Hochschulausbildung und Design kann und
darf sich heute nicht nur in Formaiismen erge-
hen, in leerer Innovation von Äußerlichkeiten.
Das Design stellt sich ansonsten selbst in
Frage. Oder ist es vielleicht bereits als Beruf
mit Vernunftsansprüchen obsolet geworden?

Zielt man demzufolge auf neue Konzeptionen
in der Ausbildung, dann steht fest, auch eine
Schule kann sich nicht in ihren Mauern ein-
igeln. Heutige Konzepte müssen unabhängig
von örtlichen-Bedingungen sein, liegen in der
überregionalen Kooperation und in mehrfa-
cher Qualifizierung, statt in einspuriger Spe-
zialisierung.

Öffentliche Medien:

Die technisch determinierten Massenmedien

bestimmen immer mehr die Kultur, sie gene-
rieren sie, sie setzen sich an ihre Stelle.

Das Künstliche ist die Natur des Menschen.
Verfremdung ist der spezifische Trieb des
Menschen. Er nennt sie Kultur.

Die Situation des Menschen ist nicht bestimmt
durch die Dimension von Ort und Zeit, sondern
durch Fiktion. Er schleicht und katapultiert sich
heraus aus der Natur, aus der Schöpfung, wie
die Alten sagten.

Für Kultur steht heute weithin Medienkultur.
Sie ist aber auf sich selbst bezogene Kommu-
nikation, also gar keine. Der absoiute Selbst-
lauf, wenn man gewillt ist zuzugeben, daß nur
Wenige und Bestimmte die Sache steuern: Die
stupide Tretmühle scheinbarer Ideen, millio-
nenfach in die Häuser gestrahlt. Vieles wird
nur noch durch Zeichen und Texte ohne Inhalt
in Bewegung gehalten.

Wahrnehmungstheorie ist da nicht mehr von
Nutzen, wo Fürwahrnehmungspraxis sich
selbst genügt. Man nennt das Zeitgeist und
kann damit jeden Unsinn und alles Unvernünf-
tige begründen.

Die hilflosen und sklerosen, wenn auch verlo-
genen und zynischen Pervertierungen von In-
formationen und Kommunikation in den Druck-
und elektronischen Medien der DDR vor dem
November 1989 sind aber im Grunde nahezu
ungefährlich gewesen hinsichtlich ihrer Unbe-
darftheit und ihrem Abstand zu Realität, Wahr-
heit und sachlicher Berichterstattung. Sie wa-
ren in der Regel durchaus durchschaubar und
suspekt. Sie zu unterlaufen und inhaltlich zu
kompensieren war allerdings ein ganz anderes
ernstes Problem.

Auf die Menschen hier kommen aber nun Me-
dien zu, die absolut perfekt mit ihren ästheti-
schen Mitteln und ebenfalls nicht immerdurch-
schaubaren Inhalten umgehen. Sei es in der
Werbung, in der politischen Argumentation
oder in der Selbstdarstellung der Institutionen
und Personen, ganz abgesehen von der na-
turgegebenen Dichte und Undurchsichtigkeit
sich vollziehender Prozesse in Wirtschaft, So-
zialstruktur, Politik und Kultur in der Welt, in
Europa und in der Region.

Zwischen dem, was zum Ökologieverständnis
der Massen und Spezialisten zu sagen war
und dem was zur mediengenerierten Kultur zu
sagen ist, besteht ein enger Zusammenhang.

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