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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Fischer, Michael: Gestaltete Umwelt - gestaltete Gefühle: zu emotionalen Wirkungen von Designobjekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0114
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nach unter einer erklärenden psychologischen
Sichtweise.

Bei der phänomenologischen Betrachtung von
Emotionen ist zu konstatieren, daß eine Viel-
zahl von empirisch beobachtbaren Gefühls-
äußerungen existiert, was auch an der Fülle
von allgemeinverständlichen Emotionsbe-
zeichnungen in der Umgangssprache deutlich
wird. Das psychologische Bemühen richtete
sich hier darauf, Ordnungssysteme zu erstel-
len, welche diese Emotionsvielfalt durch eine
kleine Anzahl von wesentlichen Beschrei-
bungsdimensionen zu erfassen gestatten. Die
gebildeten Systeme ähneln sich im Hinblick
auf die als konstituierend erachteten Emo-
tionsdimensionen, sie gehen wohl auf das be-
reits um die Jahrhundertwende von WUNDT
vorgelegte Deskriptionsschema zurück.

Ich beziehe mich im weiteren auf das umwelt-
psychologisch orientierte System von MEH-
RABIAN (1987), da es für die Erörterung der
hier in Frage stehenden Beziehungen gute An-
satzpunkte bietet.

MEHRABIAN stellt folgende drei Grunddimen-
sionen der Emotionaliät heraus, die jeweils un-
terschiedliche konkrete Ausprägungsstufen
annehmen können:

- das Erregungsniveau

Große Ausprägung dieser Dimension, also
Erregung, ist psychisch gekennzeichnet
durch Aufmerksamkeit, Aktivität, Ange-
spanntheit bis Aufgeregtheit, Unruhe usw.
Niedriges Erregungsniveau ist dagegen ver-
bunden mit Entspannung, Ruhigstellung,
Trägheit, Schläfrigkeit und Gelangweiltheit.
Indikatoren für das Erregungsniveau im psy-
chophysischen Bereich sind z. B. Muskel-
spannung, Atem- und Pulsfrequenz sowie
der zur apparativen Messung häufig heran-
gezogene elektrische Hautwiderstand.

- das Dominanzniveau

Hohe Ausprägung dieser Dimension, das
Dominanzerleben, entspricht dem Gefühl,
Einfluß zu haben, sich unbehindert, über-
legen oder selbstbestimmt zu fühlen. Dem-
gegenüber bedeutet niedriges Dominanz-
niveau Unterworfenheitsempfinden, charak-
terisierbar als Gefühl, keine Entscheidun-
gen treffen zu können, eingeschüchtert oder
fremdbestimmt zu sein.

- das „Lustniveau“

Dies ist sicherlich eine sehr komplexe, d. h.
in verschiedene Subdimensionen weiter
aufgliederbare Beschreibungsdimension
von Emotionen. In ihrer Allgemeinheit kann
sie interpretiert werden als eine Richtungs-
dimension der Emotionalität im Sinne po-
sitiver versus negativer Gefühle: Negative
Ausprägung, das sogenannte Unlustemp-
finden, ist dadurch gekennzeichnet, daß
man sich frustriert, unbefriedigt oder gene-
rell „schlecht“ fühlt, während das soge-
nannte Lustempfinden einem vergnügten,
zufriedenen oder generell „guten“ Gefühl
entspricht.

Mit dem skizzierten deskriptiven Ordnungssy-
stem wird nun der Anspruch erhoben, jede
konkrete Emotion unter Verwendung der drei
Grunddimensionen erschöpfend beschreiben
zu können. So sei etwa Wut beschreibbar
durch eine Kombination aus starker Erregung,
Unlustempfinden sowie Dominanzerleben,
Angst sei charakterisiert durch ebenfalls Erre-
gung und Unlust, jedoch gleichzeitig durch ge-
ringe Dominanz.

Diese interessanten Überlegungen können
hier nicht fortgeführt werden; stattdessen soll
der hier relevanten Frage nachgegangen wer-
den, in welcher Beziehung die aufgezeigten
Emotionsdimensionen zur gegenständlichen
Umwelt stehen und welche gestalterischen
Konsequenzen sich daraus ergeben.

Zunächst ist für die Analyse dieser Beziehung
festzuhalten, daß es bei der potentiell unend-
lichen Menge von konkreten Erscheinungs-
weisen der gegenständlichen Umwelt nicht
darum gehen kann, deren Gegebenheiten an-
hand ihrer einzelnen materiellen Merkmale zu
erfassen, also quasi in physikalischen Kate-
gorien zu beschreiben. Sondern es kommt in
Hinblick auf ihren Zusammenhang mit psychi-
schen Phänomenen darauf an, die Gegeben-
heiten der gegenständlichen Umwelt im Sinne
der Gestaltpsychologie als ein einheitliches
Feld aufzufassen, dessen Qualitäten von der
Organisation der einzelnen Bestandteile be-
stimmt werden, was wiederum bedeutet, die
gegenständliche Umwelt in ganzheitlichen
Qualitäten zu erfassen. Es sind also psycho-
logisch relevante Beschreibungsdimensionen
der Umwelt erforderlich, die einerseits deren

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