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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Fischer, Michael: Gestaltete Umwelt - gestaltete Gefühle: zu emotionalen Wirkungen von Designobjekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0115
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gegenständliche Beschaffenheit ganzheitlich
charakterisieren und die anderseits mit den
emotionalen Grunddimensionen korrespon-
dieren.

Für die Emotionsdimension des Erregungsni-
veaus ist die ausschlaggebende ganzheitliche
Umweltqualität das Reizvolumen. Nach über-
einstimmenden Aussagen psychologischer
Emotionstheorien, (darunter der grundlegen-
den, psychophysiologisch orientierten Theorie
von BERLYNE 1974) stehen Reizvolumen der
Umwelt und personales Erregungsniveau in
direkter Beziehung: Reizstarke Umwelten ru-
fen hohe Erregung hervor, reizschwache Um-
welten senken das Erregungsniveau.

In der Regel wird das Reizvolumen der Um-
welt untergliedert in die Aspekte der Neuartig-
keit und Komplexität. Dabei ist Neuartigkeit
beschreibbar (und durch die Methode des
Eindrucksdifferentials erhebbar) mit Eigen-
schaftspolaritäten wie ungewohnt - gewohnt,
ungewiß - gewiß, unbekannt - vertraut, selten
- gewöhnlich, unwahrscheinlich - wahrschein-
lich; Komplexität kann spezifiziert werden mit
Adjektivpaaren wie heterogen - homogen,
kontrastreich - eintönig, abwechslungsreich -
redundant, zufällig - strukturiert, bewegt -
ruhig.

Mit dieser Kennzeichnung wird deutlich, daß
die Reizintensität als ganzheitliche Umwelt-
qualität durch die verschiedenartigsten kon-
kreten gestalterischen Mittel und Maßnahmen
beeinflußt werden kann. In Frage steht aber,
welche Reizstärke der gegenständlichen Um-
welt in bezug auf das emotionale Erleben an-
gemessen ist.

Hierzu ist davon auszugehen, daß etwa ein
mittleres Erregungsniveau das Optimum für
die emotionale Befindlichkeit sowie, in Abhän-
gigkeit davon, für die körperliche und geistige
Leistungsfähigkeit darstellt. Weiter ist aber
noch davon auszugehen, daß jede Tätigkeit
selbst von einem bestimmten Aktivierungsni-
veau begleitet ist, dessen Höhe von der Art der
Tätigkeit bestimmt wird. Somit müßte das an-
gemessene Reizvolumen der Umwelt in Ab-
hängigkeit von der Art der Tätigkeit festgelegt
werden, um insgesamt ein optimales emotio-
nales Erregungsniveau zu erreichen.

Dies würde für die Gestaltung bedeuten, Um-
weltbereiche reizstark auszulegen, in denen

passive, einfache, monotone oder vertraute
Tätigkeiten stattfinden, die von sich aus mit
einem geringen Erregungsniveau verbunden
sind. Umgekehrt würde dies heißen, bei Tätig-
keiten, die Konzentration, Aufmerksamkeit
oder sonstige psychophysische Anstrengung
erfordern und daher ein hohes Erregungs-
niveau aufweisen, die gegenständliche Um-
gebung reizarm auszustatten. In Umweltberei-
chen, für die einesteils erregungsintensive, an-
dernteils erregungsarme Tätigkeiten charakte-
ristisch sind, sollten demgemäß sowohl ge-
genständliche Bedingungen bzw. räumliche
Zonen für Abschirmung und Beruhigung als
auch für Anregung und Aktivierung geschaffen
werden; Beispiele aus dem Bereich der
Wohn-, Arbeits- und Freizeitumwelt ließen sich
hierzu vielfach anführen.

Ich möchte das Prinzip, das in dem geforder-
ten Ausgleich zwischen Reizintensität der Um-
welt und Erregungsniveau der Tätigkeit zum
Ausdruck kommt, formulieren als Prinzip der
Kompatibilität von Umweltbeschaffenheit und
Tätigkeitscharakteristik. Dieses Prinzip ist hier
speziell bezogen auf eine Dimension der Emo-
tionalität, ich bin aber der Meinung, daß es sich
um ein aus psychologischer Sicht wesentli-
ches, verallgemeinerbares Prinzip für nutzer-
orientierte Gestaltung handelt. Solch ein Kom-
patibilitätsprinzip ist in der Psychologie gut
bekannt, es stellt sich dort z. B. dar als Kom-
patibilität von Anforderungsstruktur und per-
sonaler Fähigkeitsstruktur, wenn es etwa um
die für definierte Personengruppen optimale
Gestaltung von beruflichen Arbeits- oder
schulischen Lernanforderungen geht. Mit der
Herausstellung der Kompatibilität zwischen
Umweltbeschaffenheit und Tätigkeitscharak-
teristik wird dieses Prinzip auf die Belange der
Gestaltung der gegenständlichen Umwelt
übertragen.

In bezug auf die beiden weiteren Emotions-
dimensionen liegen vergleichsweise wenig
psychologische Erkenntnisse vor, die in der
gegenständlichen Umwelt liegende Einfluß-
faktoren betreffen.

Für das Dominanzniveaus in seiner Polarität
von Dominanzgefühl und Unterworfenheits-
erieben kommt meines Erachtens als deter-
minierende ganzheitliche Umweltqualität der
Handlungsspielraum in Frage. Das Konzept

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