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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Fischer, Michael: Gestaltete Umwelt - gestaltete Gefühle: zu emotionalen Wirkungen von Designobjekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0117
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Wird ein handlungspsychologisches Modell
der Nutzung von Designobjekten herangezo-
gen (vgl. hierzu meinen Beitrag zum vorange-
gangenen designtheoretischen Kolloquium),
so kann Umweltkontrolle diesbezüglich in Ge-
stalt von drei verschiedenen Aspekten spezifi-
ziert werden:

- die Orientiertheit über Objektgegebenheiten

- die Ausführbarkeit von Handlungen an Ob-
jekten

- die Erreichbarkeit von Zielen mit Objekten.

Diese Aspekte der Umweltkontrolle sollen mit
den sich daraus ergebenden emotionalen
Konsequenzen kurz umrissen werden.

Orientiertheit bedeutet in bezug auf Produkte
bzw. gegenständliche Umweltbereiche insbe-
sondere, die von ihnen gebotenen Nutzungs-
möglichkeiten sowie die durch sie gestellten
Verhaltensanforderungen adäquat erkennen
zu können. Emotionen ergeben sich hier als
Ausdruck des Grades der erlangten Orientie-
rung, positive Emotionen verweisen auf erfolg-
reiche, negative auf erfolglose Orientierungs-
aktivität.

Bei diesem Aspekt ist die emotionale Objekt-
wirkung also im Prozeß der subjektiven Wahr-
nehmung begründet, sowohl in der Kompo-
nente der perzeptiven Strukturorganisation als
auch der kognitiven Bedeutungsinterpretation
der Objekte.

In diesem Sinne erfolgreiche Orientierungs-
prozesse - das sei am Rande bemerkt - kön-
nen auch als eine Ursache der sogenannten
ästhetischen Emotion angenommen werden,
die in einigen kunstpsychologischen Theorien
ja auf die Entdeckung von Strukturbeson-
derheiten sowie Bedeutungsgehalten eines
Kunstobjekts zurückgeführt wjrd. Der Unter-
schied zur Orientierung bei Gebrauchsgegen-
ständen besteht nur darin, daß in Kunstobjek-
ten eigens „Wahrnehmungsaufgaben“ gesetzt
sind.

Der zweite Aspekt der emotionalen Objektwir-
kung basiert auf dem Prozeß der aktiven
Handhabung oder des operativen Gebrauchs
der Gegenstände. Umweltkontrolle bezieht

sich dabei auf die Ausführbarkeit der für die
funktionsgerechte Nutzung erforderlichen
Handlungen.

Aus diesen Prozessen resultierende Emotio-
nen sind damit Ausdruck des Niveaus der Aus-
führbarkeit der jeweiligen Aktivitäten. Negative
Emotionen gehen einher mit der erlebten
Schwierigkeit der Handlungsdurchführung und
verweisen auf die „Widerständigkeit“ des Ge-
genstandes beim operativen Umgang. Posi-
tive Emotionen indizieren demgegenüber die
aktionale „Gefügigkeit“ des Gegenstandes, sie
korrespondieren mit der erlebten Leichtigkeit
der Handlungsausführung. (In der älteren Psy-
chologie sind solche aus der gegenständli-
chen Betätigung erwachsenden Emotionen für
den positiven Fall umschrieben worden mit Be-
griffen wie „Beherrschungsfreude“ oder „Funk-
tionslust“.)

Der letztlich dritte Aspekt der Umweltkontrolle
basiert auf der Intentionalität des Handelns;
er besteht darin, personale Handlungsziele er-
reichen zu können. Die Quelle für Emotionen
liegt hier in der handlungsmotivierenden Po-
tenz des jeweils angestrebten Ziels: Emotio-
nen ergeben sich aus dem Grad der erlebten
Realisierbarkeit des Ziels.

Gebrauchsgegenstände bzw. gegenständli-
che Umweltbereiche erhalten gerade hieraus
emotionale Relevanz, indem sie aufgrund ihrer
spezifischen Funktionen oder Zweckbestim-
mungen Mittelbedeutung besitzen, d. h. als ge-
genständliche Mittel für die Realisierung von
Handlungszielen herangezogen bzw. aufge-
sucht werden.

Die dabei resultierende objektbezogene Emo-
tion ist damit Ausdruck der im Anwendungs-
und Nutzungsprozeß erfahrenen Effektivität
oder Nützlichkeit des Objekts für das Errei-
chen von Zielen. Positive Emotionen verwei-
sen auf erlebte Brauchbarkeit, negative Emo-
tionen auf mangelnde Brauchbarkeit des Pro-
dukts bzw. Umweltsegments bei der Zielreali-
sierung.

Dieser in der Funktionalität der Gegenstände
begründete Aspekt ihrer emotionalen Wirkung
wird in den sogenannten Werttheorie der Emo-
tions- und Motivationspsychologie diskutiert
unter Stichworten wie instrumenteller Wert
oder „Zielerfüllungswert“ von Objekten.

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