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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 14.1896

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Schwäbische Biographien
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https://doi.org/10.11588/diglit.15915#0009

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8

seines verdienstvollen Ahnherrn ei,,! Die
einflußreiche Würde, welche ihm alöbald Ge-
legenheit gab, während der schwierigen Zeiten
der französischen Occnpation dem interimisti-
schen Regenten dieses Landes, dem schon ge-
nannten Grasen v. Zeit, Bischof von Chiem-
see, durch seine vollkommene Kenntnis und
Beherrschung der französischen Sprache,
Sitten und Verhältnisse nicht unwichtige
Dienste zu leisten, bekleidete Graf K.
unter der selbständigen erzbischöflichen und
großh. Salzbnrgischen, der k. k. öster-
reichischen, der k. bayerischen und abermals
österreichischen Landeshoheit und während
des kirchlichen Interregnums bis zum
Jahre 1824 in Aktivität, d. h. bis zur
Wiederherstellung des Erzbistums Salz-
burg und Reorganisierung des geistlichen
Domkapitels.
Sein vorgerücktes Alter — er zählte
bereits 55 Lebensjahre — und sein bereits
sehr abnehmendes Augenlicht veranlaßen
ihn, da ihm das Verbleiben im Domka-
pitel den Eintritt in den Priesterstaud
auferlegt hätte, den Abschied zu nehmen
und seine übrige Lebenszeit im Ruhestande
und in bescheidener Zurückgezogenheit
zuzubringen. Graf Anton war nämlich,
was ausdrücklich zu bemerken ist, wohl
Domherr, aber nie Priester und hatte
bloß in jungen Jahren die vier nieder»
Weihen erhalten — eine kirchliche Stel-
lung, welche heutzutage nicht mehr vor-
kommt und uns, wenn auch aus einer
noch nicht so entlegenen Zeit stammend,
doch bereits fremd und eigenartig anmntet.
Es war ihm noch ein langer Ruhestand
und das seltene Glück eines hohen Greisen-
alters beschieden, welches das Sprichwort:
,,senectus ipsu morbus" beinahe zu
Schanden gemacht hätte, indem er sich mit
Abrechnung weniger Krankheitsfälle bis
in die letzten Jahre einer körperlichen und
geistige» Frische erfreute, von allen liebeln
und Plagen des Alters wenig gequält
war und gleich einem Bächlein auf san-
digem Grunde, dessen Wasser ruhig dahin-
rollend allmählich versickern, sein Leben
ohne Sorgen dahingleiten sah und auf die
Neige gehen fühlte. Und dennoch hatte
ihm der Himmel eine schwere Prüfung
Vorbehalten, die manchem als das größte
menschliche Unglück erscheinen würde und
nur dem vielerfahrcnen Greise, seinem

unverwüstlich heiteren Gemüte und er-
gebenem Sinne erträglich werden mochte.
Seit mehr denn 20 Jahren bereits waren
seine Augen geschlossen dem allbelebendcn
Lichte der strahlenden Sonne, dem Anblick
der göttlichen Schöpfung und den Freuden
an den Schönheiten der Natur. Nur eine
ungeschwächte Hörkraft vermochte ihm in
dieser langen Nacht die geistige Sehkraft
zu schärfen und daS fehlende Augenlicht
zu ersetzen. So konnte er bis ins letzte
Lebensjahr den frohen Sinn bewahren
und seiner Tage schwere Bürde erträglich
finden; nur als er wenige Monate vor
seinem Ende auch die Abnahme des edelsten
leiblichen Sinnes, des Gehörvermögenö
wahrnahm, begann er in sich znsammen-
zubrechen, das Herannahen des TodeS-
engels ahnend und fühlend. Die natür-
lichste Todesart, allmähliche Entkräftung,
setzte seinem umfangreichen Leben ein Ziel.
Friede seiner Asche!
Mit der leiblichen Hülle dieses ver-
ehrenswerteu Mannes, welche seinem
eigenen Wunsche gemäß in dem altchr-
würdigen und durch seine freundliche
Lage melancholisch anzusehenden Fried-
hofe zu St. Peter ihre letzte Ruhestätte
fand, siel eine geschichtliche Persönlichkeit
in die stille Gruft, denn Graf K- war
der letzte Würdenträger aus der durch
Jahrhunderte bestandenen Regieruugsselb-
stäudigkeit des Herzogtums Salzburg, oder
wie Vehse in seiner „Geschichte der
deutschen geistlichen Höfe" (II, S. 176)
in seiner bekannten Weise sich ausdrückt,
„eine große historische Rarität". Sein
Leben, von dessen stillem und harmlosem
Abschlüsse wir Augenzeuge waren, begann
zu Zeiten der glorreichen Regierung Maria
Theresias, überdauerte die französische
Revolution, währte während der Negie-
rungsperioden weiland Kaiser Joseph II.,
Leopolds, über die 43jährige Regierung
weiland Kaisers Franz, sowie unter der
Regierung des Kaisers Ferdinand und
überdauerte noch den ereignisreichen Zeit-
abschnitt, welcher den Anfang einer neuen
Aera der Macht und des Ansehens für
die HabSbnrgische Monarchie seit der Re-
gierung des Kaisers Franz Joseph begann
— also während sechs Negierungsperioden
derselben. Wie viel Geschichte in dieser
ereignisreichen Zeit!
 
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