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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 19.1901

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Vor 100 Jahren – Aus einem alten Neresheimer Klostertagebuch, [13]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18109#0087

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79

Neresheim. Madame Moreau ist eine sehr-
junge, kleine, zartgebante, geistreiche, liebens
würdige Brünette. Aber so schön ist sie
doch nicht, wie sie in einer französischen
und ans dieser auch in deutschen Zeitungen
beschrieben wurde, nämlich als das schönste
Frauenzimmer in ganz Frankreich. Sie ist
in St. Domingo geboren, wo ihr Vater
schon vor der Revolution Gouverneur war.
Ihr Bruder Hilot hat als TViäe 6e Eamp
des Obergenerals den Henrigen Feldzug
mitgemacht. Ich lernte ihn in Neresheim
und nachher in Nymphenbnrg kennen. In
Augsburg erwartete man von seiten des
Konnte den General en Edel mit der
größten Sehnsucht, weil von allen Seiten
her die bittersten Klagen wegen scharfer,
zum Teil ungerechter militärischer Exe-
kutionen, mit welchen fast alle Stände in
Oberschwaben belegt waren, einliefen und
weil man von seiner Gerechtigkeit und
Menschlichkeit hoffte, daß er diesem Un-
wesen ein Ende machen würde. Das Komite
schickte auch deswegen eine Deputation zu
ihm und er versprach, die Sache zu unter-
suchen, die Exekution aufzuheben und die
Schuldigen zu bestrafen, welches auch ge-
schah. Ich habe in Augsburg zweimal das
Theater besucht, auf welchem die Lüdersche
Gesellschaft spielt. Ich sah die Stücke der
„Tyroler Wastel" und der „RitterBayard".
Beite sind schlechte Stücke und wurden
auch nur mittelmäßig gespielt. Auch be-
suchte ich den Obervogt Leinslier, ein
Schwesterkind unseres ?. Hnbald selig und
seine Frau ein Vater Bruderskind unseres
?. PeterS.
Den 8. März; weil ick gestern in Augs-
burg weder Post noch Lohnpferde bekam,
so mußte ich erst heute meine Heimreise
antreten. Zu Hause trug sich während
meiner achttägigen Abwesenheit folgendes
zu: Am 2. März kam ?. Roman wieder
von Dorfmerkingen zurück, nachdem er seit
dem 6. Febr. daselbst vikariert hatte. Am
5. März zogen vollends alle Franzosen
von hier und der Nachbarschaft ab. Es
war mir leid, den braven Kapitän
Dubourquois nicht mehr zu sehen bezw.
anzutreffen. Er hinterließ mir ein schönes
Abschiedsschreiben.
Vom General Despruslys fand ich bei
meiner Zurückkunft von Augsburg eine
Antwort auf meinen Brief vom 20. Febr. vor.

Am 3. d. M. ging der k. Großkeller
von hier nach Regensburg zum Herrn
v. Steige utesch, um auch da wegen
des Schicksales unseres Klosters zu negoci-
ieren. Er schrieb mir von Donauwörth
nach Augsburg: „Soeben bin ich auf der
Reise nach Regensbnrg begriffen, wohin
man für notwendig befunden, jemand zu
schicken, um zu erfahren, wie es mit unserem
Hause stehe und ob noch eine XsAOtindion
nützlich sein dürfte. Weil es möglich sein
dürfte, daß Herr v. Steigentesch eine Reise
nach Wien notwendig fände, damit dann
nicht ich nnv Sie zugleich an eben denselben
Ort reisen und beide zu einer so kritischen
Zeit von Hanse entfernt wären, so schreiben
Sie mir ungesäumt nach Regensbnrg."
Ich beantwortete dieses Schreiben sogleich
von Augsburg aus. Das Resultat meiner
Unterredung mit Moreau und der Rat
des Herrn v. Steigentesch, der in Rücksicht
einer Reise nach Wien, mit jenem Resul-
tate übereinstimmte, bestimmten den?. Groß-
keller wieder nach Hause zu reisen. Den
2. d. M. gaben unsere Herren Beamten
au den Abt eine Supplik eiu, worin sie
ihn bitten, ihrer zu gedenken und für den
traurigen Fall einer Säkularisation für-
ste zu sorgen. Am 1. d. M. erhielt der
Abt eiu Schreiben vom Ordinariate wegen
der Pfarrei Neresheim. „Von Ordinariats
wegen, heißt es in dem Schreiben, solle
Euer rc. rc. die nachgesuchte ?roIon§atioir
des UrLeseutakionZ-Termin für die Pfarrei
Neresheim auf weitere vier Monate be-
willigt und erlaubt werden, daß dieselbe
durch den bisherigen Vikar ?. Meinrad
Raringer versehen werden dürfe. Es sei
denn, daß noch früher der Frieden in
Nichtigkeit gebracht werde, ans dessen Er-
folg sodann dieselbe ohne weitere An-
züglichkeit einen Weltpriester als Pfarrer
in Neresheim zu präsentieren haben, indem
deswegen schon von dem Herrn Reichs-
fürsten von Wallerstein eine nachdrücksamste
Erinnerung eingelanget ist."
Endlich übergab der Abt jene Dispo-
sition, wovon ich oben (24. und 25. Febr.)
sprach, dem Herrn Oberamtmaun und
?. Augustin, um sie, was freilich ich schon
auf mich genommen hatte, in die gehörige
Ordnung zu bringen und abzuschreiben.
Ich erschrak über diesen Schritt, weil ich
voraussah, daß unsere Disposition, die
 
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