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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 19.1901

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Beck, Paul A.: Oberländer Spitzbuben-Chronik, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18109#0130

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hervor mit Sagen, sie, die Inden sollten
ihn lieber gleich umbringen, weil er so
sonst ersticken mußte, worauf sie dann ihm
etwas mehr Luft, ihn aber immer noch ver-
deckt gelassen. Wie es inzwischen der guten
Wirtin ergangen, welche ihr Leben elen-
diglich unter den verfluchten Juden lassen
mußte, kann man alles umständlich nicht
wissen, doch so viel sagen, daß sie an
Händen und Fußen gebunden, geschlagen,
gestoßen und ans andere Weise geplagt
worden sei, damit sie bestehe, wo sie das
Geld und ihre besten Sachen habe. Dies
alles hörte ihr, der Wirtin, Sohn, ein
Jüngling von 17 oder 18 Jahren, welcher
direkt ob des Wirts Kammer lag, sich
aber mäuschenstill dabei verhielt. Dieser
erzählte hernach, seine Mutter habe sich
willig erboten, alle Schlüssel an die Kästen
anzuzeigen, auch alles willig herzngeben.
Um alles bittend mit weinenden Angen, sie
sollten ihr nur das Leben schenken u. s. w.
Darauf sei sie still geworden; endlich aber
seien ihre letzten Worte gewesen: O Jesus!
Maria! Darauf habe er von ihr nichts
mehr vernehmen können, maßen sie dann
ermordet, teils erdrosselt und das Genick
ihr vollkommen eingedrückt worden sei, so
daß sie gleich tot nächst der Kammerthüre
liegen geblieben sei. Der Wirt konnte
darüber, wie es seiner Wirtin ergangen,
gar nichts sagen. Während der Zeit,
als der Wirt und die Wirtin so er-
bärmlich torqnieret worden, erging es in
der oberhalb dem Felde zu gelegenen Mägde-
kammer der Magd und zweien Töchterlein
der Wirtin nicht viel besser. Diese wurden
zu gleicher Zeit und gleich anfangs, nach-
dem ihre Kammerthüre mit einem großen
eichenen Klotze eingesprengt worden war,
von sechs oder.sieben Kerls überfallen, alle
drei an Händen und Füßen und überdies
noch das Hemd über dem Kopf, zu diesem
aber noch der Magd ihr Kopf zwischen
die Schenkel hindurch gebunden. Auf die
größere Tochter schmissen sie die Betten und
warfen sie gebunden unter die Bettstatt
und darauf noch den eichenen Klotz. Dann
sind die Mörder noch oben darauf gelegen
und auf ihrhernmgewahlet, während indessen
die übrigen Schelmen der Tochter über
ihren Kasten gegangen sind, die silbernen
Schnüre und Borten von den Kleidern ab-
getrennt, auch ein- und anderes, in specie

dem Knecht, welcher eben damals an „See"
gefahren war, ein scharlachenes „Leibel"
mit guten silbernen Borten genommen
haben. Der Magd wurden etliche Löcher
und Beulen an Kopf geschlagen, desgleichen
den beiden Töchtern Maultaschen und Backen-
streiche gegeben; absonderlich haben die Mör-
der immer in die Angen geschlagen, damit
sie nicht gesehen und alsJnden erkannt werden
möchten, welches sie aber nicht verbergen
tonnten, maßen die Magd nick Tochter gesagt,
wie sie gleich beim ersten Ueberfall bemerkt,
daß selbe wüste Jndenbärt getragen haben.
Wie indessen dem Sohne der Wirtin, einem
Kerl von 17 Jahren, welcher in einer
besondern Kammer allein gelegen und alll
diese Mördereien gehört hat, ums Herz
gewesen sein muß, ist leichtlich zu erachten.
Er hat zwar seine Kammerthüre auf-
gemacht und herausgeschaut. Als er aber
die Mörder gesehen und seine Schwestern
so erbärmlich jammern gehört, schloß er
die Thür wiederum zu und hielt sich stille.
Wenn er aber so gescheit gewesen wäre und
dem Schmied oder Schultheißen geschrieen
und Lärm gemacht hätte, so könnte leicht
sein, daß die Spitzbuben sich auf und
davon gemacht hätten. Den Weg ließen
sie sich aber in ihrer Arbeit gar nicht
irrmachen, und trieben gleichsam noch
ihre G'späß dabei. Sie zündeten in der
oberen Stube und Gang Lichter an, stellten
selbe zit den Fenstern hin, spazierten den
Gang ans und ab, diskurrierten miteinander
überlaut unter Lachen und Scherzen sogar
zu den offenen Fenstern hinaus, und dies
aus lauter schelmischem Betrug und Ab-
sehen, damit man, wenn allenfalls irgend
jemand um den Weg wäre oder vorbei
ging, vermeinen und glauben solle, daß
noch Gäste vorhanden seien und weil alles
so laut und anscheinend redlich herging.
— Die Mägde und Töchter hießen sie
niemals anders als Bestien, Kanaillen,
Hunde, Teufel, Huren und Hepen; und
wenn die guten Kinder Jesnm und Mariam
anriesen, sagten die Mörder ihnen, sie
sollten den Teufel anrusen :c. Als die
Magd sich unter dem Bette etwas zu rühren
anfing, sagte einer: „Sehet diese Bestie
ist noch nicht tot!" Diese Kujonen redeten
auch von Rosenkränzen, die sie in der
Tochter Kasten sahen; sie stritten darum
mit Sagen: „Ich muß auch ein Nüster
 
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