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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 21.1903

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Beck, Paul A.: Zeit- und Sittenverwechslungen (Anachronismen) in der darstellenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.18333#0042

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— 34 —

sucht sein könnte, dein Künstler Vorwürfe
zn machen, wenn nicht die Erziehung, der
Bildungsgang, der Geist seines Zeitalters
und der Stand der Hilfswissenschaften zur
Kunst den Schlüssel zu mancher Darstel-
lung enthielten, die man bei einem heutigen
Künstler in den meisten Fällen unverzeih-
lich finden würde. Beispiele dieser Art,
von Fehlern gegen die Zeit, Trachten,
Einrichtungen, Ausstattungen und Ge-
bräuche, die Kostümkunde rc. sind in einer
Menge von Kunstwerken zerstreut, von
welchen einige in der „historisch-kritischen
Abhandlung über das Leben und die Kunst-
werke des berühmten deutschen Malers
Lukas Cranach, Hamburg und Leipzig,
1761", Zo, S. 40/41 aufgeführt werden.
Um mit der Historienmalerei aus der
Griechen- und Nömerzeit zn beginnen —
ans wie so manchem Bilde, Holzschnitte
und Kupferstiche hat man nicht den große»
Welteroberer Alexander, den tapfer», klugen
Cäsar paradierend zn Rosse, mit Pfnnd-
spore», trotz eines Stallmeisters, die Füße
in zierlichen Steigbügeln (!) gesehen ! Die
unglückliche Kleopatra legt die Schlangen
an den Busen. Wer hat sie s o sterben
sehen ? ! Und welche krassen Wider-
sprüche zeigen nicht manche Darstellungen
aus der Mythologie, fast noch possier-
licher wie viele aus der biblischen Ge-
schichte ! Da — sieht man die majestätische
Inno als „Dame Schwere-Brett" in
Toison-Frisur und im Neifrock als Staats-
kleid, die Jagdgöttin Diana mit Falken
und Reiherbeitze im Jagdkleide des 17./18.
Jahrhunderts mit in Jagdkostüme geklei-
deten Hoffränlein und flotten Piqueurs,
den Herrn v. Kalchas im spanischen
Kragen und mit einem Klemmer ans der
Nase antreten! — Das Paradies ist
schwerlich jemals mit Mauern, Türmen
und Bastionen umgeben gewesen, und Vater
Abraham hat wohl nie einen römischen
Brnstharnisch sowie eine scythische Streit-
axt geführt, wenn er seinem Feinde, und
wäre es auch der grimmigste gewesen, ent-
gegenzog. Aus zwei Gemälden Titians
vom Abendmahl in Einaus, welche
sich ehemals im herzoglichen Palast von
Venedig und zu Versailles befanden, sah
man einen von den Gefährten Jesus mii
einem Rosenkränze geziert. — Wie
oft sind die Ehern bims zn bloßen ge-

flügelten Köpfen abgestumpft und ist ihnen
ihre Jünglingsschaft geraubt worden! —
Mag wohl des Hohenpriesters Ranch-
pfanne die Gestalt eines Kelches oder
Bechers gehabt haben? Schwerlich hatten
die alttestamentarischen Schreiber
(IVlui m o n i des de s)medrio § 9;
Oussovii Oiss. de imuAmibus rer,
Mebrue. kfl. 8) bei dem Synedrinm zu
Jerusalem Brillen auf den Nasen sitzen
und Negistranden vor sich aus mit Tep-
pichen bedeckten Tischen liegen ? ! Wie
sonderbar sind nicht auf manchen Ge-
mälden und Kupferstichen die Weinkannen
auf der Hochzeit von Kana gestaltet!
Gewöhnlich malt man dieselben mit Hand-
haben, um sie bequem hin und her heben
zn können, was indes unrichtig ist
(Markus VII. 3). Jede soll zwei bis
drei Maß (iVletrstus) enthalten haben.
IVletretu, sonst Lucius oder Lud genannt,
aber ist ein Gemäß, welches 10 LonZios
faßt. 10 LorrZii machen 60 Lexturios,
also muß jeder dieser sogenannten Krüge
2'Z Eimer haben enthalten können ! Solche
Krüge hat man wohl selbst in jenen
Zeiten, wo es noch bei Mann und Weib
starke Arme und Hände gab, nicht so leicht
hin und her gehoben! In der alten
Kirche wurden alljährlich am zweiten
Sonntage nach Erscheinung steinerne, mit
Wein gefüllte Wasserkrüge von der Hoch-
zeit zu Kana ans den Altären ansgestellt,
welche anscheinend in der Zeit der Ottonen
ans dem Morgenlande nach Deutschland
gekommen sind und ursprünglich zur Auf-
nahme des Opferweines gedient haben
mögen. Solche Vasen oder Urnen ähn-
liche Gefäße sind heutzutage eine Selten-
heit ; im Bamberger Dom waren, nach
dem Bamberger Heiligtnmsbuche von 1509,
die beiden Krüge »von der lioelmeik?u
Llnrnu« verwahrt. Die Hochzeitsgäste selbst
finden sich irgendwo in lauter Kostümen des
18. Jahrhunderts oder gar als schwäbische
Bauernhochzeit mit Dorsmusikanten (Baß,
Fagott, Waldhorn und Bombardon rc.)
dargestellt. — Unter den heiligen
Dreikönigen befindet sich bekanntlich ein
Mohr mit Wappeukleid, Wasfenschurz,
Schwert rc. — kurz ein kompletter Rit-
tersmann ! — Ans einem zn Zittau im
Sachsenlande befindlichen Gemälde kommt
der Bräutigam den klugen Jungfrauen auf
 
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