Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Editor]; Hofele, Engelbert [Editor]; Diözese Rottenburg [Editor]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 21.1903

DOI article:
Beck, Paul A.: Zeit- und Sittenverwechslungen (Anachronismen) in der darstellenden Kunst
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18333#0046

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
38 —

lustwandelnd und Kupido in der Luft
zu schauen, der seinem Herzen den Blatt-
schnß giebt. Sehr willkürlich sind auch
manchmal die Darstellungen der Hölle
und erinnern dieselben zuweilen an die
Schilderung der alten Rabbinen, dieser
echten Fabulisten, lieber diese Höllen-
malerei, in welcher die Geistlichkeit eine
nicht geringe Nolle spielt, ließe sich ein eigenes
Kapitel geben ; Päpste, Kardinale, Bischöfe,
Prälaten, Pröpste, Mönche und Nonnen
aller Orden und Weltpriestcr aller Grade sieht
man da nicht selten (hin und wieder so-
gar Porträts), mit allerhand phantastischen
Znthaten, hineingemalt! Die allen Maler
blieben, was Schelmerei und Bosheit in
der Mache betrifft, nicht hinter den alten
Steinmetzen zurück. Dergleichen aben-
teuerliche Vermischungen findet man eine
Menge sowohl ans Malwerken, in Hand-
schriften als auf alten Holzschnitten nnd
Kupferstichen. So im Innern der Para-
dieskirche Kruzifixe, bei Belagerungen von
Jerusalem, Karthago rc. Kartannen,
Kanonen und allerhand Schießgewehr, bei
der Wiederanfweckung des armen Lazarus
ein Kreuz ans seinem Grabe nnd der-
gleichen Dinge mehr. Es ließe sich dieses
Verzeichnis schier ins Unendliche spinnen,
Wie man sieht, sind solche anachronistische
künstlerische Darstellungen zu geschicht-
lichen Zwecken nur mit äußerster Vor-
sicht zu gebrauchen, da in ihnen nicht so
selten eine Art licemkiL pictoria zum Aus
druck kommt. Einen besonders bezeich-
nenden Beleg hiefür bietet eine im ehe-
maligen Benediktinerkloster Lorch bei
Sckwäb. Gmünd im Remsthal, einer ur-
alten Hohenstaufengründnng nnd Grablege
und überhaupt einer Stätte reicher hohen
stanfischer Erinnerungen, an ter zweiten
Säule (links vom Haupteingang an der
Westseite) der vormaligen Klosterkirche an-
geln achre Abbildung von der Hinrichtung
Konradins vonSchwabenzu Neapel
im Jahre 1268. Ans diesem, von unbe-
kannter Hand verfertigten, jedenfalls nicht
zeitgenössischen nnd in künstlerischer Hin-
sicht nicht bedeutenden Gemälde wird die
Enthauptung an dem unglücklichen Hohen-
stanfknsprossen mit einem Fallbeile voll-
zogen, das, nach einer Bemerkung E. Lud.
Junkers über die deutsche Guillotine in
Grälers „Bragnr" V^, S. 183, mit dem !

französischen große Aehnlichkeit hat und
über das Jahr 1550 hinansreicht (?).
Das Hanptbild stellt die Fchur Konradins
vor: „ein junger Herr von schönem An-
gesicht, geharnischt, mit einem bloßen
Schwerte in der rechten Hand, einen langen
Talar über den Rücken hinunter hängend,
Helm zu den Füßen", lieber dem Bildnis
stk erst die eigentliche hier in Betracht
kommende Darstellung angebracht: Konradin
liegt auf dem Richtblock ; der Scharfrichter
läßt das Beil an einem Seil auf dessen
Nacken fallen; hinter dem Scharfrichter
sitzt Papst Klemens IV. auf dem Throne
samt einem Kardinal und Karl v. Anjou.
Da das Kloster Lorch im Jahre 1525 in
dem Bauernkriege große Verwüstungen er-
litt, so dürfte die Verfertigung dieses Ge-
mäldes wohl in die beiden auf diese Grcnel-
scenen folgenden Jahrzehnte zu setzen sein ;
älter als das 16. Jahrhundert scheint es
nicht zu sein, eS müß e nur das Bild schon
früher dagewesen bezw. in früheren
Zeiten angefertigt, während des Bauern-
krieges zerstört (worüber aber eben Nach-
weise fehlen!) und nach demselben wieder
erneuert worden sein. Dafür-, d. h. für
eine frühere Entstehung des Bildes
bezw. des ganzen, schon beim alten Crn-
sinS in seinen Annalen kurz beschriebenen
Hohenstaufen-Bildercyklns in der Lorcher
Kirche, welcher zudem durch eine im 17.
oder 18. Iah, hundert nnd dann wieder
im Jahre 1874 vorgenommene Restaura-
tion entstellt wurde, spricht aber der Stil
der Bilder nicht. Nach einer von Lo reut
in seinen „Denkmalen des Mittelalters II
Lorch" (S. 99) mitgeteilten alten Inschrift
ans der Kirche wäre letztere um das Jahr
1531 unter dem Abt Laurentius Antenrieth
mit Bildern, Wappen nnd Inschriften ge-
ziert worden, womit sich die vorgeschlagene
Datierung gut vereinigen ließe. Diese
Darstellung ließe an sich die Vermutung
zu, d ß Konradin und seine Genossen nicht
mit rem Schwert oder einfachen Beil, son-
dern mit einem Fallbeil vom Leben zum
Tode gebracht worden sind. Mit dieser
Abbildung trifft tie Beschreibung in der
nickt viel (als das Bild) später (1572)
erschienenen „Hiskoria von den letzten
Herzogen in Schwaben" zusammen,
wonach (Bl. 15) „nstlich Friedrich v. Oest-
icich vnder einer Welschen Falle ent-
 
Annotationen