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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 21.1903

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Vor 100 Jahren - aus einem alten Neresheimer Klostertagebuch etc., [16]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18333#0069

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61

physischen und moralischen Zustandes der
Armen sprach! Die große Meinung,
welche man von einem berühmten Manne
hegt, wird nicht selten heral'gestimmt, wenn
man ihn in der Nähe kennen lernt;
allein diesmal trat bei mir der entgegen-
gesetzte Fall ein ! — ich hatte Nnmfords kleine
Schriften gelesen, ich hatte seine schönen
und wohlthätigen Anstalten in München
gesehen und überhaupt sehr viel Rühm-
liches von ihm gehört und in Zeitungen
gelesen; allein meine große Meinung von
ihm war nicht nur nicht herabgestimmt,
sondern vielmehr noch erhöht, besonders
da er mit seinen großen Kenntnissen und
Erfahrungen die feinste Bildung verbindet
und folglich in seinem Umgänge sehr lie
benSwürdig ist. Um 7 Uhr abends fing
der Ball an. Er war durch eine Quadrille
eröffnet, welche von der Prinzeffin Solms,
ihrer kleinen Prinzessin Friederike, der
kleinen Prinzessin Theres von Taxis,
einer Kammerfrau der Prinzessin von
Solms, der Fräulein von Zeuner, der
Fräulein von Veltheim, der Fräulein von
Schacht und ihrer Schwester, der jungen
Gräfin von Westcrhold — daun dem Erb-
prinzen von Mecklenburg, dem Baron von
Bernhausen, dem Baron von Schmalensee
u. s. w. getanzt wurde. Alle waren in grie-
chische Tracht gekleidet. Die Quadrille stellte
zugleich eine Pantomime vor, in welcher die
Tänzer und Tänzerinnen ihre Empfin-
dungen und Wünsche gegen die Frau Erb-
prinzessiu als die Königin des Festes aus-
drückten. Das Ganze, eine Erfindung und
Anordnung der Prinzessin Solms, war
sehr schön. Um 9 Uhr speiste man zu
Nacht im Tafelzimmer. Nach der Tafel
kam auch der Fürst von Wallerstein, den
man schon auf den Mittag erwartet hatte,
sah noch einige Zeit dem Balle zu und
fuhr daun bei einer stockfinsteren Nacht
und unter einem beständigen sehr starken
Regen mit seiner Fürstin, Prinzessin und
Bruder »ach Hause. — Den 16. Okt.
Wir mußten heute noch den ganzen Tag
in Dischingen bleiben. Wir frühstückten
bei der Frau Erbprinzessiu, speisten zu
Mittag im Tafelzimmer, tranken abends
Thee bei der Frau Erbprinzessin und
wohnten dann einer Kantate bei, die ihr
zu Ehren gegeben wurde und wobei
?. Benedikt die Flöte blies. Major Beeck

hatte diese Kantate komponiert. Die Fräu-
lein von Schacht spielte vortrefflich auf
der Harfe. Zn Nacht speisten wir in dem
Zimmer der Frau Erbprinzessiu, sie selbst
aber und ihre Schwester, die Prinzessin
Solms, speisten im Kabinette mit dem
Fürsten. Den 17. in der Frühe wurden
wir mit Hoskntschen nach Hanse geführt.
— Den 20. Okt. Schon längere Zeit
erwarteten wir die regierende Fürstin von
Dettingen auf einen Besuch. Heute kam
sie endlich. Die Prinzessin Johanna
hatte mich schon den 14. davon benach-
richtigt. Sie schrieb mir unter anderem:
„sie müsse im Namen ihrer Schwägerin,
der Fürstin, zum voraus abbitteu, daß sie
vermutlich mit acht oder zehn Personen
kommen werde, indem sie, da sie schon
aus Erfahrung wisse, wie gut es in Neres-
heim zu sein sei, denen, welche eben so
sehr wünschten, von der Partie zu sein,
dieses Vergnügen nicht absagen können".
Wenn sich die Fürstin freute, zu uns zu
kommen, so freuten wir uns gewiß noch
mehr, sie bei uns zu empfangen, sie, die
Wonne und das Glück ihres Landes und
ihres kleinen Hofes, wo sie als Mutter
geliebt und nicht als Beherrscherin ge-
fürchtet wird, sie, die man nicht kennen
kann, ohne sie zu lieben und innigst hoch
zu schätzen! — so weise, so gut, so herab-
lassend, so liebenswürdig ist sie! Die
Fürstin kam um 10 Uhr morgens an. In
ihrem Gefolge waren: die Prinzessin
Johanna, ihre zwei Prinzen mit ihrem
Hofmeister Strehle, der geheime Nat Braun,
der Hofrat Wochen, der Obervogt Kolb,
ein pfälzischer Kavalier, v. Neigersberg
mit seinem Sohne und ein Kanonikus von
Polling, Namens Nieg, dermalen Direktor
in Neuburg. Der Herr von Schacht mit
seiner Tochter waren schon vor der Fürstin
angekommen, um ihr hier anfznwarten.
Da mir die Frau Erbprinzessiu von Taxis
noch gestern abends spät durch einen eigenen
Boten hatte sagen lassen, daß sie heute ans
Mittag hierher kommen würde und ihre
Schwester, die Prinzessin Solms, und
ihren Bruder, den Erbprinzen von Mecklen-
burg-Strelitz, mit sich bringen würde, um
die Fürstin von Dettingen zu überraschen,
so hatten wir uns auf den Mittag auf
eine große und glänzende Tafel gefaßt zu
machen. Die Frau Erbprinzefsin kam
 
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