Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 22.1904

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Vorlagen zu Schillers "Räuber"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18334#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Folge ohne viel Umstände einfach der Kopf
abgeschlagen; den geringeren Verschworenen
erließ der Reichstag, ans des Königs Für-
bitte, die Todesstrafe und vermteilte sie
zu lebenslänglicher Schanzarbeit. Kosinsly
mußte im Hochverratsprozeß gegen seine
Gefährten zeugen und blieb einige Zeit
in scharfer Verwahrung ; Pulaski war ent-
kommen. Einen Monat nach der Hin-
richtung der Verschworenen hatte der König
Kosinsky aus dem Lande nach Italien
fortschaffen lassen, wo er ihm zum Dank
für seine LebenSrettnng eine Pension
zahlen ließ (vgl. damit den IV. Ak«,
1. Sceue der „Ränber", wo Kosinski
peroriert: „Ich ward ergriffen, angeklagt,
peinlich prozessiert, infam — merkt's
euch — ans besonderer Gnade ans
den Grenzen gejagt. , . Dieses Attentat,
welches, wie gesagt, viel Rnmor in Europa
gemacht, hat merkwürdigerweise, nebenbei
bemerkt, auch die Aufmerksamkeit Vol-
taires auf sich gezogen, welcher im An-
schluß au das vorausgegangene burleske
Heldengedicht seines Gönners Fried-
rich s d. Gr.: Auerre 6 es Lonkecleres«
den Gedanken faßte, dem von ihm hoch-
gehaltenen polnischen König gleichsam lite-
rarisch zu Hilfe zu kommen, ein Stück
„für deu König von Polen" zu schreiben,
um demselben an einem Beispiel zu zeigen,
wie er sich die Beseitigung der polnischen
Schwierigkeiten dachte, und wählte dazu
sonderbarerweise als Verkleidung einen
antiken Stoff, nämlich den Konflikt des
mythischen Königs Tencer von Kreta mit
seinem übermächtigen Adel und der von
dem Hohenpriester Pharis sanatisierten
Menge, welchem im Jahre 1772 er-
schienenen Drama er den Namen: »I^es
lois IVlinos« gab. Aber das Gewand,
das die alte» Heiden tragen, ist zu durch-
sichtig, als daß man nicht unter ihm die
gemeinten moderneu Gestalten erkennen
sollte. (S. „Histor. Monatsbl. für die
Provinz Posen", von 1904 : „Peiser,
G., ein Drama Voltaires über die pol-
nische Verfassung", S. 49—61.) So
liegt es sehr nahe, daß dieses zeit-
genössische, viel Staub auswerfende und
literarisch behandelte Ereignis anch Schil-
ler, der ja in seiner Jugend viel Fran-
zösisch und auch Voltaire las, zu Ohren
gekommen ist nnd er sich ans demselben

Namen nnd Figur des Kosiusky für
siine Räuberbande zu allerdings freier Ge-
staltung borgte. — Es ist ja immerhin mög-
lich, daß die eine oder andere Figur der
„Räuber" aus der Hiefelfchen Gesellschaft
entnommen worden ist, wie bei solchen
Schöpfungen die Vorlagen und Typen da
nnd dorther, wo man sie gerade passend
sindct, geholt werden und so sich das
Ganze ans allen möglichen Quellen, Vor-
gängen und Erlebnisse» zusammensetzt, aber,
»venu je Schiller zu Vorlage» aus der
Hiesel-Bande gegriffen habe» sollte, so ist
dies bloß vereinzelt geschehen — die
Hauptfigur, Hiesel selbst, wurde von
Schiller jedenfalls nicht entlehnt, den»
Hiesel war und ist — kein Karl
Moor! Den Pastcr Moser hat Schiller
ganz anderswoher, wohl ans seiner lieb-
lichen Lorch er Land- und Jugendidylle,
herübergenommen. Daß aber der Dichter
der „Ränber" bei dem „Spitzbubenklima
im Granbündtener Land, im Athen der
heutigen Gauner" (II. Akt, 3. Seene)
den Erzgauner und Zigeuner Iak. Nein -
hard, genannt „Haninckel" — wie man
schon gemeint — im Ange gehabt habe,
ist schon um deswillen nicht richtig, weil
der (im Jahre 1742 geborene, 1786 Hin-
gerichtete) Hauuickel erst um die Mitte
der 1780er Jahre, also bereits einige Zeit
n a ch dem Erscheine» der „R äube r"
bezw. nach der ersten Ausgabe von 1781
sein Unwesen anch in Graubnndteu
trieb. Schiller selbst will, darüber zur
Rechtfertigung gezogen, diese Bemerknng
über das Granbündtener Land, aus welcher
die drei hohen Bünde eine Staats- und
Nationalaffäre machten, nicht als eine Be-
hauptung aufgestellt, sondern als einen
unbedeutenden Ausdruck einem Räuber,
nnd zwar dem schlechtesten von allen
(Spiegelberg) in den Mund gelegt, über-
haupt damit mir eine von früher Jngend
an gehörte Volkssage nachgeschrieben haben.
Diese Hereinziehung Graubnndtens, welche
Schiller kaum vorher geahute Ungelegen-
heiten brachte, uud wofür dann deshalb
in einigen späteren „kastrierten" „Räuber"-
Ausgaben „Italien" gesetzt wurde, kann
sich übrigens ans einfache, natürliche Weise
ei klären, sofern dieser Kanton um jene
Zeit scheu vorher als „Galgeuland" (!)
galt. Es stand nämlich in diesem Ge-
 
Annotationen