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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 22.1904

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Beck, Paul A.: Vorlagen zu Schillers "Räuber"
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https://doi.org/10.11588/diglit.18334#0157

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Majer, dem sogenannten „Bub", HieselS
getreuestem Kumpane, sahen. In dem
„Lissaboner Bäck" wollte man den Typns
des „Noller" aus den „Räubern" und
im „Schneider", nicht dem geringsten von
Hiesels Bande, das Urbild des Haupl-
libertiners Spiegelberg, erkennen, oder des
Schwarz. Während Noller und
Schweitzer als die ehrlichsten und
trenestin der ganzen Bande dastehen und
gewissermaßen die Folie der „Räuberehre"
bilden, ist Spiegelberg als das aller-
niederträchtigste, verkommenste, noch weit
unter dem viel unbedeutenderen „Schuf-
terle" stehende Subjekt, als ein wahres,
selbst seine eigenen Mitränber abstoßendes
noir plus ultr-r von Gemeinheit gezeichnet,
wobei Schiller ein „vertlofseuer, »erstickter
Mediziu- oder Kameralstndent", welcher so-
lang als möglich vom Leicheiicarmen-Fabri-
zieren (vgl. I. Akt, 2. Scene), wenn nicht
von viel Schlimmerem sein Dasein gefristet
hat, oder irgend ein durch nnd durch ver-
lumpter, entarteter „Skrizler", wie Schiller
setzt, aus der „allwnrttembergischen Schrei-
berwelt", dem sogenannten „Mänsesraß
des Landes", gesessen sein mag, welche
ja eine Reihe niedriger Seelen und
schlechter Kerle in sich zählte n»d welche
Schiller wohl kannte, läßt er doch Spiegel-
berg a. a. O. diese Kreaturen selbst wie
folgt in dm Mund nehmen: Ein

Kerl, wie dn, der mit dem Degen mehr
auf die Gesichter gekritzelt hat, als drei
Substituten in einem Schalljahr ius
Befehlbuch schreiben!" „Substituten"
waren bekamulich die ersten Schreiber (Ober-
schreiber) der sogenannten früheren „Stadt-
schreiber", gewaltige herrische Menschen
in der altwürttembergischen Bnreankratie,
von denen O. Wildermnth (in ihren
„Bildern aus dem schwäbischen Leben",
Stuttgart, 1852, S. 150 ff.) eine etwas
zu gelinde Schilderung gibt. DaS „Nest
setzen", welchen echt schwäbischen, sogar
in die wnrttemberLifche Strafgesetzgebuug
aufgenommenen Terminus Schiller, neben-
bei bemerkt, in den „Näuberu", I. Aufz,,
1. Anftr., gleichfalls gebraucht, war bei
diesen Elementen keine so große Selten-
heit. — Wenn weiter einige hinter dem
famosen Kofi uSky die Gestalr des Barth
von Hiesels Bande wittern wollten, so
sind sie sicherlich damit auf falscher Fährte.

Dieser „Böhme Kosinsky", welcher erst
im 2. Auftritt des III. Aktes erscheint,
welcher sich auch von der menschlichen Ge-
sellschaft mißhandelt glaubt und deshalb
dem Ruf des großen Räuberhäuptliugs
gefolgt ist, und zn welchem sich Karl
Moor sympathisch hingezogen fühlt, weil
Kosinsky auch eine „Amalia" pathetisch
liebte und verlor, stammt zwar wohl nicht
aus den böhmischen Wäldern, sondern ist,
wie wir erstmals hier darlegen wollen,
von Schiller eher aus Polen bezogen,
worüber wir etwas weiter ansholeu müssen.
Z» jenen Tagen, bloß einige Jahre vor
Inangriffnahme der „Räuber" dnrch
Schiller, hatte nämlich ein meuchleri-
scher Anschlag auf den König Stanislaus
August von Polen in Warschau am Abend
des 3. November 1771, dessen Endziel
die Befreiung des Landes von den Russen
nnd die Vertreibung des der polnischen
Nation von den Moskowitern ausge-
drnngenen Königs Stanislaus Angnst
Poniatowsky war, die Runde dnrch die
öffentlichen Nachrichten in Europa und
nicht geringes Aufsehen gemacht. Ein
polnischer Edelmann, Pulaski, General bei
der Armee der Konsöderierteu, hatte den-
selben entworfen und hiezn 40 Verschworene
unter den drei Anführer» Lnkawsky,
Stawenski und Kosinsky gewonnen.
Kaum 200 Schritte von seinem Palais
entfernt, wnrde der König in feiner Kutsche
angefallen, sein treuer Haidncke, der ihn
mit seinem Leibe deckte, erschossen, woraus
das königliche Gefolge floh. Ein Ver-
schworener fenerte ans den König, ein
zweiter hieb mit dem Säbel ihm quer übers
Haupt, daß der Hieb bis ans das Stirn-
bein eindrang, worauf er blutend aus
Warschau fortgeschleppt wurde, und zwar
entführte Kosinsky schließlich den König
allein, während die andern Mörder aus
Furcht vor den, Nüssen sich zerstreuten.
Kosinsky ließ sich nnn dnrch den König
erweichen, nachdem letzterer ihm Verzeihung
zugesichert hatte, und ließ den König frei.
Kofiusky war bei Krakau iu niederem
Stande geboren nnd hieß ursprünglich
Johann Kntsma; den adeligen Namen
Kosinsky nahm er an, nm sich mehr
Ansehen zu verschaffen, nnd wurde dann
auch bei de» Konföderierten Ossizier.
Lnkawski und Slawenski wurde iu der
 
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