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haben. Der wahre Sachverhalt war nach
dem Urbnch felgender.
Der obere Chor war Eigentum der
Klosterfrauen, die ihn auf eigene Kosten
bauen ließen (1712). Die auf diesem
Chor stehende Orgel gehörte der Pfarr-
kirche und dem Heiligen. Zur Musik
aber waren die Schwestern nicht ver-
bunden. Sollte es aber dem Konvent
nicht mehr belieben oder die Musikanten
im Kloster abgehen, so könnte weder
Pfarrer noch Gemeinde die Schwestern
zur Kirchenmusik verpflichten. Auch hatte
das Kloster keine Pflicht, geistlichen oder
weltlichen Musikanten den Zutritt zu
ihrem Chor zu gestatten. Dagegen konnte
der Pfarrer nach Belieben die Orgel vom
oberen Chor weg auf die untere Empore
oder sonst wohin versetzen.
Nun aber gab es anno 1719 zwischen
dem Kloster, Pfarrer und Gemeinde wegen
des oberen Chores, der Orgel und der
Musik Zwistigkeiten, „wodurch der liebe
Frieden der Gemüther zerstört" wurde.
Man hat daher ans Anlaß einer General-
visitation sich entschlossen, den Streit in
gütlicher Weise beiznlegen und, um künf-
tigen derartigen Fällen vorznbengcn, fol-
gende? zu beschließen.
1. Solle die Orgel solcmgs auf dem oberen
Chor verbleiben, bis hierüber eine allerseits be-
liebige Disposition gemacht werde;
2. sollen die Klosterfrauen keineswegs verbunden
sein, die Orgel zu schlagen oder sonst zu musizieren,
sondern es stehe ihnen frei, allein zur größeren
Ehre Gottes fürderhin zu musizieren oder nicht.
3. Wenn sie aber aus ganz freien, Willen
musizieren wollen, so sollen sie jedesmal durch
den Mesner oder Heiligcnpfleger vom Pfarrer
hiezu höflich ersucht werden.
4. Dagegen verlangen die Schwestern sür ihrc
Musik nicht die mindeste Erkenntlichkeit, weil sie
es allein zur Ehre Gottes tun, solange sie können
und wollen, außer wenn etwas exNuorcünacte
von ihnen begehrt werde.
5. Sollte die Musik von, Kloster aufgegebe»
werden und die Orgel anderswohin transferiert
werden müssen, so soll der Chor, auf dem tue Orgel
bisher stand, ganz allein den Schwestern gehören
mit Ausschluß aller anderen geistlichen Personen.
Demnach blicken die Klosterfrauen beim
hergebrachten Neckst. Sie besorgten auch
in Zukunft die Kirchenmusik, hielten sich
aber streng an Punkt 3.
Unter Pfarrer I. Chr. Muscart gab
es keine Streitigkeiten mehr in dieser
Sache. Die Pfarrgemeinde konnte auch
zufrieden sein, auf so billige Weise eine
würdige Kirchenmusik zu haben. Anders
ging es unter seinem Nachfolger, Franz
Jos. v. Schlichte, welcher via per-
rnutntionis von Bräunlinge» nach llnlingen
gekommen war (1727).
Dieser wollte das Entgegenkommen der
Klosterfrauen zu einer Schuldigkeit machen
und unterließ anno 1729, die Schwestern
um die Kirchenmusik zu ersuchen. Am
Himmelfahrtsfeste begab er sich mit den
Leviten an den Altar, ohne sich des
SingenS wegen beim Kloster angemeldet
zu haben. Ohne Berührung der Orgel
oder anderer Mnsikalien ließen ihn die
Klosterfrauen an dem Altar stehen. Dieser
ergrimmte so, daß er in offener Kirche
eine ihm selbst nachteilige, aber fruchtlose
Verteidigung seiner selbst widcr dieSchwestern
richtete und die Türe in den Chor, wo
die Orgel stand, einbrechen ließ. Die da-
malige Vorsteherin Joscpha mußte trotz
ihrer Prolestation diese Gewalttätigkeit
geschehen lassen, ließ aber anstatt der Türe
durch den Klostert'necht ein andeieö Brett
Vorschlägen, welches vom Gegner mehr-
mals wieder weggerissen, aber jedesmal
wieder angebracht wurde. Unterdessen be-
schwerten sich die Schwestern beim Bischöf-
lichen Ordinariat zu Konstanz, das ei»
Dekret an den Pfarrer erließ, die violieitc
Türe wieder in den alten Stand zu setzen,
welchem aber kein Gehör geschenkt wurde.
Ebensowenig wurde ein zweites Dekret
gleichen Inhalts vom Pfarrer befolgt.
Endlich in einem dritten Dekret wurde der
Termin der Vollziehung des letzteren auf
24 Stunden angesetzt sud poena sus-
pensionis ab ollrcio et UenetrLio des
Pfarrers. Das wirkte. Die Türe wurde
in Beisein eines dekanatamtlichen Kom-
missärs durch einen Schlosser, der zur
Aufbrechung geholfen, am 2. Dezember
1729 wieder zngemacht (Urbnch).
Gleichzeitig schwebten bereits andere
weitaus verwickeltere Streitigkeiten zwischen
Pfarrer und Kloster. Es war ansdrück,
lich zur Bedingung gemacht worden, daß
dieses 18 Jahre lang in ungestörtem Be-
sitz der anno 1713 nur ungern erkauften
Ki r ch en f abrik g üt e r bleiben solle.
Nun aber suchte Pfairer Schlichte schon
anno 1728, also schon 15 Jahre später,
die Güter wieder an die Fabrik zurück-
haben. Der wahre Sachverhalt war nach
dem Urbnch felgender.
Der obere Chor war Eigentum der
Klosterfrauen, die ihn auf eigene Kosten
bauen ließen (1712). Die auf diesem
Chor stehende Orgel gehörte der Pfarr-
kirche und dem Heiligen. Zur Musik
aber waren die Schwestern nicht ver-
bunden. Sollte es aber dem Konvent
nicht mehr belieben oder die Musikanten
im Kloster abgehen, so könnte weder
Pfarrer noch Gemeinde die Schwestern
zur Kirchenmusik verpflichten. Auch hatte
das Kloster keine Pflicht, geistlichen oder
weltlichen Musikanten den Zutritt zu
ihrem Chor zu gestatten. Dagegen konnte
der Pfarrer nach Belieben die Orgel vom
oberen Chor weg auf die untere Empore
oder sonst wohin versetzen.
Nun aber gab es anno 1719 zwischen
dem Kloster, Pfarrer und Gemeinde wegen
des oberen Chores, der Orgel und der
Musik Zwistigkeiten, „wodurch der liebe
Frieden der Gemüther zerstört" wurde.
Man hat daher ans Anlaß einer General-
visitation sich entschlossen, den Streit in
gütlicher Weise beiznlegen und, um künf-
tigen derartigen Fällen vorznbengcn, fol-
gende? zu beschließen.
1. Solle die Orgel solcmgs auf dem oberen
Chor verbleiben, bis hierüber eine allerseits be-
liebige Disposition gemacht werde;
2. sollen die Klosterfrauen keineswegs verbunden
sein, die Orgel zu schlagen oder sonst zu musizieren,
sondern es stehe ihnen frei, allein zur größeren
Ehre Gottes fürderhin zu musizieren oder nicht.
3. Wenn sie aber aus ganz freien, Willen
musizieren wollen, so sollen sie jedesmal durch
den Mesner oder Heiligcnpfleger vom Pfarrer
hiezu höflich ersucht werden.
4. Dagegen verlangen die Schwestern sür ihrc
Musik nicht die mindeste Erkenntlichkeit, weil sie
es allein zur Ehre Gottes tun, solange sie können
und wollen, außer wenn etwas exNuorcünacte
von ihnen begehrt werde.
5. Sollte die Musik von, Kloster aufgegebe»
werden und die Orgel anderswohin transferiert
werden müssen, so soll der Chor, auf dem tue Orgel
bisher stand, ganz allein den Schwestern gehören
mit Ausschluß aller anderen geistlichen Personen.
Demnach blicken die Klosterfrauen beim
hergebrachten Neckst. Sie besorgten auch
in Zukunft die Kirchenmusik, hielten sich
aber streng an Punkt 3.
Unter Pfarrer I. Chr. Muscart gab
es keine Streitigkeiten mehr in dieser
Sache. Die Pfarrgemeinde konnte auch
zufrieden sein, auf so billige Weise eine
würdige Kirchenmusik zu haben. Anders
ging es unter seinem Nachfolger, Franz
Jos. v. Schlichte, welcher via per-
rnutntionis von Bräunlinge» nach llnlingen
gekommen war (1727).
Dieser wollte das Entgegenkommen der
Klosterfrauen zu einer Schuldigkeit machen
und unterließ anno 1729, die Schwestern
um die Kirchenmusik zu ersuchen. Am
Himmelfahrtsfeste begab er sich mit den
Leviten an den Altar, ohne sich des
SingenS wegen beim Kloster angemeldet
zu haben. Ohne Berührung der Orgel
oder anderer Mnsikalien ließen ihn die
Klosterfrauen an dem Altar stehen. Dieser
ergrimmte so, daß er in offener Kirche
eine ihm selbst nachteilige, aber fruchtlose
Verteidigung seiner selbst widcr dieSchwestern
richtete und die Türe in den Chor, wo
die Orgel stand, einbrechen ließ. Die da-
malige Vorsteherin Joscpha mußte trotz
ihrer Prolestation diese Gewalttätigkeit
geschehen lassen, ließ aber anstatt der Türe
durch den Klostert'necht ein andeieö Brett
Vorschlägen, welches vom Gegner mehr-
mals wieder weggerissen, aber jedesmal
wieder angebracht wurde. Unterdessen be-
schwerten sich die Schwestern beim Bischöf-
lichen Ordinariat zu Konstanz, das ei»
Dekret an den Pfarrer erließ, die violieitc
Türe wieder in den alten Stand zu setzen,
welchem aber kein Gehör geschenkt wurde.
Ebensowenig wurde ein zweites Dekret
gleichen Inhalts vom Pfarrer befolgt.
Endlich in einem dritten Dekret wurde der
Termin der Vollziehung des letzteren auf
24 Stunden angesetzt sud poena sus-
pensionis ab ollrcio et UenetrLio des
Pfarrers. Das wirkte. Die Türe wurde
in Beisein eines dekanatamtlichen Kom-
missärs durch einen Schlosser, der zur
Aufbrechung geholfen, am 2. Dezember
1729 wieder zngemacht (Urbnch).
Gleichzeitig schwebten bereits andere
weitaus verwickeltere Streitigkeiten zwischen
Pfarrer und Kloster. Es war ansdrück,
lich zur Bedingung gemacht worden, daß
dieses 18 Jahre lang in ungestörtem Be-
sitz der anno 1713 nur ungern erkauften
Ki r ch en f abrik g üt e r bleiben solle.
Nun aber suchte Pfairer Schlichte schon
anno 1728, also schon 15 Jahre später,
die Güter wieder an die Fabrik zurück-