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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0329

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haften Kolorit, das mit der schleimigen weißroth-bunten
Durcheinander-Würfelung aller möglichen unharmonischen
Farbentöne des Heckel'scken Bildes gar nicht in Vergleich
zu stellen ist. A. Schleh's Bilt ist, was wir ein nobles
Gemälde nennen möchten; nobel in der psychologischen
Charakteristik dieses prächtigen Kopfes, der gerade soviel
vom orientalischen Typus zeigt, wie das historische Pathos
vertragen kann, nobel in der energischen Haltung, worin
verzweiflungsvollcr Abscheu vor den Details der That
mit heroischer Entschlossenheit sich als innerlicher, wahr-
haft tragischer Kampf abspiegelt, nobel endlich in dem
tiefen, gesättigten, klangvollen Kolorit, das abermals einen
bedeutenden Fortschritt zur sicheren Beherrschung der tech-
nischen Mittel, wie nicht minder einen feingebildeten Far-
bensinn bekundet. Wir wünschten, die talentvolle Künstlerin
wählte sick einmal die „schlafwandelnde Lady Macbeth" als
Motiv für ihren kräftigen und zarten Pinsel; wir sind
überzeugt, sie würde etwas sehr Bedeutendes leisten. Hek-
kcl's „Judith" ist fast bis zur Karrikatur heroisirt, näm-
lich ganz äußerlich. Ueberhaupt sind fast alle Figuren
dieses unangenehmen Bildes Karrikaturcn, wenigstens in
den Köpfen, die alle nicht richtig auf den Schultern sitzen.

Alle etwa noch in dies Gebiet schlagenden Bilder nehmen
wir besser in's historische Genre, obgleich mehre davon, z. B.
die „Salome Hcrodias mit dem Haupte Johannes des Täu-
fers" von Ni essen (Nr. 479.) durch die Bedeutsamkeit des
Motivs zur Historie gehören und sich nur durch die Unbe-
deutendheit der Komposition davon unterscheiden. Beiläufig
bemerken wir bei diesem Bilde, daß diese Salome Herodias
wie ein deutsches Edelfräulein aussieht, die.einen Korb
mit Weintrauben kredenzt, statt des Johanneskopfes. Was
die Hinzufügung der eingeklammerten Worte (BanitaS und
Pietas) im Katalog bedeute, ist uns nicht klar geworden.

2. Historisches Genre.

Im historischen Genre wiederholt sich zunächst derselbe
Gegensatz zwischen Personalcharakteristik und Activnsschil-
derung; sodann aber erweitert sich der Umfang dieses Ge-
biets durch das genremäßige Moment über die Grenzen
der GcschichtSmalerei hinaus, iusosern nicht mehr blos solche
Persönlichkeiten und Thatsachen, welche der großen poli-
tischen und Kulturgeschichte angehören, sondern auch solche,
die in den socialen, künstlerischen, wissenschaftlichen Kreisen
des allgemeinen Lebens eine hervorragende Stellung cin-
nehmen, zur Darstellung sich eignen. So z. B. ist daS oft
behandelte Motiv des Becker'scheu schönen Bildes „Kaiser
Karl V. hebt dem Tizian de» Pinsel ans" ein durchaus
gcnrcmäßigcs, das nur dadurch einen Anspruch auf histo-
rischen Charakter gewinnt, daß Karl > . eine politisck-hillo-
rische Größe ist; ebenso das ebenfalls ausgezeichnete Ge-
mälde von Kraus „Besuch Sebastian del Piombo's bei
Tizian", das sich jedoch im Motiv aus den oben angege-
benen Gründen schon mehr dem Genre nähert. In beiden
aber handelt es sich uni etwas ganz allgemein Sociales,
das an sich durchaus keine historische Tragweite besitzt.

Wir sprechen natürlich hier nur vom Motiv. Was die
Behandlung betrifft, die man sich — ganz abgesehen von dem
Inhalt der Darstellung — als eine mehr oder weniger „histo-
rische" zu bezeichnen gewöhnt hat, so ist dieser Begriff des
„Historischen" ein wesentlich verschiedener; denn man versteht
darunter, als Aequivalent für die klassische Malerei, eine ge-
wisse Art der Farbenstilisirung, welche an die der Kun st-
historie angehörenden alten Meister erinnert. In diesem
Sinne macht z. B. Feuerbach's „Iphigenie" einen ten-
denziösen Anspruch auf historische Behandlung, wobei das
Motiv ganz indifferent ist. Einen Beweis dafür giebt
sein der vorigen großen Ausstellung angehöriges „Kinder-
bacchanal", dessen Motiv doch wohl als kein historisches
im weltgeschichtlichen oder kulturgeschichtlichen Sinne be-
trachtet werden kann. Wenn wir nun aber auch die Be-
rechtigung dieser beiden ganz verschiedenen Bedeutungen
des „Historischen" zugeben wollen, so glauben wir doch
andererseits ein Recht aus die Forderung zu heben, daß
Behandlung und Motiv sich decken müssen, d. h. daß eine
historische Behandlung für keinen unhistorischen Gegenstand
paßt, und daß andererseits ein historischer Gegenstand auch
historisch behandelt werden muß. Diese Forderung wird
aber meist unberücksichtigt gelassen.

Fassen wir zunächst die der Historie am nächsten stehenden
Gebiete des historischen Genres in's Auge, vor Allen die
Schlachtenmalerei. Was in diesem Gebiet auf der Aus-
stellung sich befindet, gehört nicht zu dem Bedeutenderen der-
selben. Wir heben daraus hervor das Bild Kaiser's: „das
erste Garderegiment in der Sä,lackt vor Paris". (Nr. 346.)
Die Action ist hier die Hauptsache; ein eigentliches Cen-
trum der Bewegung fehlt, ohne jedoch der Gruppirung
zu schaden. Es ist viel Bewegung in der Komposition
und tüchtige Zeichnung im Detail, dessen Studium Sorg-
falt verräth. Die Farbe ist der schwächere Theil. Zwar
mögen die vielen grauen Uniformen vielen Antheil an
der Farblosigkeit des Ganzen haben, allein nicht allen.
Der Künstler hat jetzt eine andere Manier angeschlagen,
als die früher von uns urgirie flockige, tupfende Behand-
lung der Farbengebung; aber »ock ist er nicht zu dem
markigen Farbenvortrage, wie er für solche Gegenstände
paßt, vorgedrungen. Sein Streben danach aber ist un-
verkennbar. — E. Hünten's „Heckefeuer preußischer In-
fanterie auf irreguläre Kosacken 1758 (Nr. 323.) hat eben-
falls viel natürliche Bewegung, namentlich in der geschickten
Durchbrechung der militairischen Gradlinigkeit, welche wohl
bei Paraden aber nicht im Kampfe möglich ist; auch in
der Farbe ist es recht frisch, wenn auch koloristisch nicht
bedeutend. — „Schwerin in der Schlacht vor Prag" (Nr.
293.) von Heyden hat einen nicht verkcnnbaren großen
Zug in der Schilderung des AnstürmenS des greisen Helden,
der irrthümlich zu Pferde dargestellt ist, da er bekanntlich
vom Pferde herabsprang und, die Fahne dem Fahnenträger
entreißend, sick zu Fnß an die Spitze seiner Soldaten
stellte, um den weißen Berg zu stürmen, auf dem er seinen
Tod fand. (Fortsetzung folgt.)

Drei Geschichtsbilder:

De Wefve's „Kricgsratlj"- — ^essing's „Kaikerfarg " — Schkösser's „Jungfrau uon Artemis

Die westlich der Elbe verbundenen Kunstvereine haben
auf ihrer diesjährigen Ausstellung drei historische Gemälde
zur Anschannng gebracht, die in ihrer zufälligen Vereini-
gung Stoff zu den mannigfachsten und anregendsten Be-
trachtungen darbieten. So oft sie daher auch in Zeitun-
gen und Kunstblättern bereits besprochen sein mögen, so
glauben wir nichtsdestoweniger, daß das Interesse an ihnen
iioch keineswegs erschöpft ist, und daß die nachstehenden
„ unvorgrciflichen Gedanken eines Laien" sick, dank dem
Gegenstände, aus ein geneigtes Gehör Hoffnung macke»
dürfen. Spiegelt sich dock in den drei Gemälden nickt
allein die Kunstrichtung, sondern der ganze nationale Cha-

rakter der Belgier, der Deutscken und der Franzosen mit
wunderbarer Treue ab, so daß cs nicht ohne Frucht sein
möchte, den ästhetischen, geschichtlichen und politischen Fä-
den nachzugchen, welche in ihnen auslaufen.

Nickt allein unter den drei genannten, sondern unter
allen Gemälden der Ausstellung lenkt der „Kriegsrath" von
Biäfve schon durch seine Größcnvcrhältnisse die Aufmerk-
samkeit selbst des flüchtigsten Beschauers ans sich. Er
imponirt, und das ist bei einem historischen Gemälde kei-
neswegs eine Nebensache. Zur Ausschmückung öffentlicher
Hallen oder fürstlicher Säle bestimmt, müssen geschichtliche
 
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