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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 10.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.13555#0018

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„Des Gefangenen Gesang", verkauft nach Rußland;
1857 „Franz 1. bei dem sterbenden Leonard! da Vinci",
im Besitze von Devoz in Amsterdam; 1858 „Italienische
Rache", in der Sammlung Pauwelö', Brüssel; 1860 „Sam-
son und Dalila", gekauft von Heinrich Mayer (Stametz),
Wien; 1861 „Portrait des Papstes Pius IX." jetzt
Eigenthum des Photographen I. Maes in Brüssel;
1861 „La Stella", bezogen nach England; 1863 zwei
Pendants „Vargas schwört Alba" und „Alba's Nr-
theilsspruch", beide von einer englischen Gesellschaft für
40,000 Fr. gekauft, um mit diesen Bildern umherzureisen.
— Noch sind besonders zu erwähnen: daö „Portrait der
Königin von Holland", das des „Grafen von Flandern"
und das kleine Tableau: „Die Versuchung des heiligen
Anton", etwas equivoque, welches nebst den „Montaigne
bei Tasso" die einzigen Bilder sind, welche je Se. Maj. der
König von Belgien für sich selbst von dem „König der
belgischen Maler" kaufte.

Gallait ist persönlich ein kleiner, eleganter Mann,
noch jetzt mehr einem Advokaten als Maler gleichend, mit
grauem, kurzgeschuittenen Kopfhaar und Backenbarte, stets
mit weißer Halsbinde aber sonst durchaus nicht vornehm
thuend, vielmehr wirklich gentlemanlike einfach, leicht zu-
gänglich und bald vertraut, wenn auch stets kühl. Seine
prachtvolle Villa liegt sehr außer der Stadt, auf dem
Wege nach Lacken, Nr. 72 in der Rue du Palais. Man
schellt am Thore des englisch rein gehaltenen Baues. Ein
Bedienter in Livree öffnet, und man tritt in eine offene
Veranda mit Marmorfliesen, rechts den nicht großen aber
sehr schmuck gehaltenen Garten erblickend, und wird ge-
beten, links einzutreten, um angemeldet zu werden.

Man befindet sich in einem feinen, doch nicht überlade-
nen Salon. Zuerst fallen uns hier zwei große Portraits
in's Auge, ältliche Damen, die Mutter und die Tante des
Künstlers, in jener vollen, beinahe harten Durcharbeitung
alles Details, wie es seine erste Manier war. Auf dem
Bilde der Mutter zeigt sich im Fond die Kopie jenes er-
sten biblischen Bildes, mit dem einst der zagende Anfän-
ger vor 30 Jahren den Preis von Gent gewann, lieber
dem Kaniin hängt ein blos erst braun untermaltes Por-
trait, Halbfigur, sprechend ähnlich, und frappirend durch
die bekannte uapoleonische Rcminiscenz in den Zügen. Es
ist Paul Delaroche. Jedoch diesem Kaniin gegenüber,
über dem Sopha, erblickt man ein viertes großes Tableau,
eine schöne junge Frau im Negligee, einen hübschen,
kaum zweijährigen Jungen umhalsend, der zur Seite eines
großen Neufundländers sitzt und den Beschauer froh an-
lacht. Es ist keine Indiskretion, wenn man eingesteht,
daß Gallait, von seiner Nation so im Stiche ge-
lassen, auch in der Ehe kein Glück fand. Alle Welt weiß
die Geschichte. Jedermann kennt auch den einstigen Lieb-
lingsschüler, der nun mit seinen böhmischen und montene-
grinischen Sujets sich in Paris schon selbst so sehr einen
Namen erwarb wie in Oesterreich, sklavisch des Meisters
Manier fortsetzt, daß sogar Fremde in den Ausstellungen
fragen: „Ist das nicht ein Schüler Gallait's?" — Des
Meisters Haus aber ist nun schon langher die Klause
eines Wittwers.

Doch da tritt Gallait selbst ein, uns zu grüßen und

in's Atelier einzuladen. Man passirt vorher noch einige
Gänge und ein goldleisteugeziertes Vorstübchen, rechts der
Garten, links ein großes Krystallfeuster, um vom Billard-
saal aus sehen zu können, wer eintritt. In dieser Halb-
rotunde hängen einige Kopien in Aquarell von Gallait's
Bildern, einige Kopien nach Raphael und Tizian, gleich-
falls Originale, und die Portraits von Rubens unv
van Dyck.

Das Atelier ist ziemlich groß. Rechts die Wand fast
ein Fenster, beliebig durch Vorhänge zu moderiren. All'
die anderen drei hohen Wände sind voll von Kopien in Oel
nach Raphael, Tizian, Buonarotti, Veronese, Giotto u. s. f.
Besonders fällt der Kardinal Bentivoglie auf, einst Ge-
sandter in Brüssel, nach van Dyck, jene elegante, fast ma-
nierirte Kavalierfigur in Purpur, so lebhaft an den Duc
de Morny in der Physiognomie erinnernd. Alle niederen
Theile der Wände sind bedeckt mit Glasrahmen, die kost-
bare Handzeichnungen Raphaels, Leonardo's, Salvator
Rosa's u. dgl., sowie Photographien nach römischen und
griechischen Bildern und Bauten enthalten. Am Ka-
min hängt unter Glas und Rahmen ein kostbarer ita-
lienischer Brief P. P. Rubens' in Staatsangelegenheiten.
Inmitten des Ateliers aber zeigt sich zumeist das in dreierlei
Purpur rothe, sonst blos noch Weiß aufweisende Prachtbild,
das Portrait Pius IX., ungemein wohlwollend und ruhig
lächelnd, und so überzeugend ähnlich, als säße der Pontifex
leibhaft in jenem Rahmen, die schönen gepflegten Hände
niedersinken lassend.

Wenn nian alle jene zahlreichen Studien in jenem
Atelier genau durchmustert und dabei die paar Bil-
der des Meisters betrachtet, die auf den Stasfeleien
umher stehen, mit grünen Vorhängen verdeckt, auch
die große eingerahmte Skizze der „Pest in Tournay",
so wird man sich erst klar, worin eigentlich Per künstle-
rische Charakter des Meisters besteht, besonders im Ver-
gleiche mit den konkurrirenden Franzosen. Gallait ist
kein eigentliches Genie, er ist blos der größte Eklektiker
unserer Zeit. An Idee der Komposition nicht so reich
und philosophisch tief wie Delaroche; nicht entfernt so
.dramatisch und gewaltig, aber auch nicht so stets in Zerr-
bildern experimentirend wie Delacroix; nichts von der
sentimentalen Lyrik Ary Scheffer's, noch von dem
starken Drange edelster Plastik von Ingres, noch von der
Kupferstichmanier Leop. Robert'S oder der seelischen No-
blesse Flandrin's. Gallait's imponirende Haupteigen-
schaft ist, daß er nicht blos höchst realistisch die Natur
studirte, und daher auf daS geringste Detail einen schwe-
ren Nachdruck legt, wodurch die Totalität so reich und
satt erscheint, sondern daß er über diese Primitivität hin-
ausging, an den Alten höchst vielseitig und gewissenhaft
die künstlerischen Gesetze, besonders des Helldunkels und
des Kolorits, studirte, und somit das stark Realistische
zugleich auch künstlerisch gestimmt, geordnet, daher berech-
tigt giebt. Demnach frappirt er nicht blos dem Laien,
sondern imponirt auch dem Kunstkritiker und seinen Metier-
genossen. Deshalb war er denn auch mehr als irgend ein
anderer moderner Künstler zum Monumeutalmaler mit
starkem Kolorit berufen; und es ist ein direktes Verbrechen
Belgiens an der Menschheit, daß es solch ein spe-
 
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